Interview mit Ex-RAF-Mitglied "Bommi" Baumann "Ich will aufklären"

"Bommi" Baumann, Betonbauer, später einer der Köpfe der Westberliner Studentenbewegung, RAF-Mitglied und schließlich Stasi-Spitzel, wird in Düsseldorf als Zeitzeuge sprechen.

 Zeitzeuge der 68er: Schriftsteller Michael „Bommi“ Baumann.

Zeitzeuge der 68er: Schriftsteller Michael „Bommi“ Baumann.

Foto: ddp

Sie sind Zeitzeugen-Gast auf der Düsseldorfer Tagung über die sprachgeschichtlichen Folgen von 1968. Hätten Sie sich früher ein solches Thema vorstellen können?

Baumann Kaum. Das ist natürlich richtig und interessant, aber dass das mal so einen akademischen Beigeschmack bekommt, hätte man sich niemals träumen lassen.

Eine These der Tagung ist, dass die 68er einen Einschnitt in der Sprachgeschichte vollzogen haben. Was hat Ihnen selbst an der Sprache damals nicht gepasst?

Baumann Das sind ja mehrere Sprachen. Der so genannte studentische Teil hatte einen eigenen Sprachduktus, der mir eigentlich bis heute nicht passt. Man müsste eine eigene Sprache lernen, um zu verstehen, wovon die Herrschaften da reden. Und dann gab es die Sprache der so genannten Subkultur, zu der eigentlich meine Person zu rechnen ist.

Ihnen passte das so genannte "Soziologenchinesisch" oder "adornisierte Marcusisch" nicht?

Baumann Ja, das war ja teilweise den Leuten selbst nicht verständlich, machen wir uns nichts vor. Ich erinnere mich an einen Vortrag von Marcuse 1967 an der FU Berlin, als der Studentenführer Krahl aus Frankfurt eine Frage stellte und selbst Marcuse die nicht direkt verstanden hat. Da war nicht ein deutsches Wort mehr drin. Bei der Subkultur kamen dagegen Einflüsse aus verschiedenen Bereichen zusammen.

Können Sie Beispiele nennen?

Baumann Also a) sind da mehr Anglizismen drin, Rock'n'Roll und Blues, der Einfluss amerikanischer Schriftsteller, und b) war der Sprachstil von Stadt zu Stadt anders. Der jeweils herrschende Dialekt wurde ja mit eingeführt. Aber wir waren sprachlich auch durch die Mickey-Maus- und Donald-Duck-Übersetzungen von Erika Fuchs geprägt, gewissermaßen mehr "Barksisten" als Marxisten - Carl Barks ist der amerikanische Autor der Comics.

Sie waren dann auch Mitglied des "Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen".

Baumann Das ist von einer Mao-Schrift: "Über die Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen". Wir haben einfach nur blödsinnige Namen gewählt. Und neue Wörter erfunden. "Ausjeflippt" vom Flipperspielen ist ja ein Wort des Zentralrates, kam direkt aus unserem Kreis.

Sie waren im Gefängnis und auf der Flucht. In Ihrem Buch "Wie alles anfing" haben Sie sich dann vom Terrorismus distanziert. Ein Leben voller Brüche?

Baumann Ja, natürlich. Fällt einem ja auch schwer. Ist ja nun nicht 'ne leichte Entscheidung. Weder der Eintritt in eine bewaffnete Gruppe noch der Austritt. Das ist eine lange Kette von Ereignissen, die einen in eine solche Situation bringt.

Verwenden Sie selbst noch einen bestimmten Sprachduktus?

Baumann Nein. Ich will einfach verstanden werden. Ich bin ja jetzt auch langsam 61 und will erklären und aufklären.

Freuen Sie sich auf das Treffen mit 68ern?

Baumann Freuen? (lacht) Sagen wir mal so: Man macht es eben als Zeitzeuge. Ich weiß ja nicht, ob diese Leute sich freuen, mich zu sehen. Ich wage es zu bezweifeln. Aber das belebt hoffentlich die Debatte.

Timo van Treeck führte das Interview.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort