Düsseldorfs neuer OB Thomas Geisel "Ich will einen breiten Konsens im Rat"

Düsseldorf · Der frisch gewählte SPD-OB legt sich nicht auf ein starres Bündnis fest, sondern möchte in wichtigen Punkten partei-übergreifend überzeugen. Der Jurist fordert einen geordneten Übergang und will nicht mit "eisernem Besen" auskehren.

 Thomas Geisel im Gespräch: Der neue Oberbürgermeister will sich bis zu seinem Amtsantritt mit den Gegebenheiten im Rathaus vertraut machen.

Thomas Geisel im Gespräch: Der neue Oberbürgermeister will sich bis zu seinem Amtsantritt mit den Gegebenheiten im Rathaus vertraut machen.

Foto: Andreas Bretz

Herr Geisel, was wird das Erste sein, das Sie machen, wenn Sie die Amtskette umhaben?

Geisel Da müsste ich erst mal wissen, wann ich sie habe. Derzeit gehe ich davon aus, dass die Amtszeit von Herrn Elbers am 1. September endet. Diese Zeit werde ich nutzen, um mich mit den Gegebenheiten im Rathaus vertraut zu machen. Ich will mich mit den Dezernenten und Amtsleitern treffen, mir ein Bild von den laufenden Projekten machen und auch von den Räumlichkeiten. Bis auf die SPD-Fraktion kenne ich bisher noch nicht viel vom Rathaus.

Und wann werden Sie die Amtskette umhängen?

Geisel Wir werden dafür sicherlich nicht eine Sondersitzung des Rates einberufen. Deshalb gehe ich davon aus, dass es Mitte September sein wird. Ich hoffe, bis dahin mein Büro eingerichtet und mit einigen Leuten besetzt zu haben, mit denen ich bisher schon vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den Übergang gut hinbekommen.

Sie wollen nicht das komplette Büro austauschen?

Hannelore Kraft schenkt Thomas Geisel Schlüsselanhänger
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Kraft schenkt Geisel Schlüsselanhänger

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Foto: Endermann, Andreas

Geisel Ich werde nicht mit eisernem Besen durchs Rathaus gehen und alles wegräumen, sondern mir Zeit nehmen, die handelnden Personen kennenzulernen.

Haben Sie mit Elbers gesprochen, ob nicht doch eine frühere Lösung für die Amtsübergabe möglich ist?

Geisel Mir geht es vor allem um eine geordnete, professionelle Übergabe. Was ich auf jeden Fall erwarte, ist, dass in der Zwischenzeit keine relevanten Entscheidungen getroffen werden - wie Beförderungen oder Besetzen von Amtsleitungen.

Sie hatten gesagt, als ersten Akt die Schuldenfrei-Uhr am Rathaus abzuschrauben. Bleiben Sie dabei?

Geisel Ich bin kein Freund von Symbolpolitik, das ist das Anbringen dieser Uhr ebenso wie das Abschrauben. Ich stehe für transparente Haushaltspolitik und finde es keine Schande, wenn in der Bilanz der Stadt und ihrer Töchter Verbindlichkeiten in dreistelliger Millionenhöhe stehen. Vor dem Hintergrund, dass wir Sondierungsgespräche mit Parteien führen, denen diese Uhr als Symbol Uhr wichtig ist, wäre das Abschrauben kontraproduktiv. Ich fürchte allerdings, dass sich die Frage der Schuldenfreiheit ohnehin nicht stellt, weil wir zur Beseitigung der Sturmschäden und das Neupflanzen von Bäumen auch einmal mehr ausgeben müssen als wir aufnehmen, also vielleicht auch Kredite aufnehmen werden. Das möchte ich im Konsens mit allen Parteien tun.

Wie wollen Sie vorgehen?

Geisel Ein Viertel unserer Bäume ist zu ersetzen, die Stadt bietet in Teilen ein Bild der Verwüstung. Nach Beseitigung der Schäden müssen wir ein Programm mit Prioritäten aufstellen, das unterschiedlich agiert. Im Hofgarten sollte man sich etwa an seinem Schöpfer Weyhe orientieren und kann auch nicht nur ganz kleine Bäume pflanzen.

Sie würden für die Beseitigung der Sturmschäden also notfalls neue Schulden aufnehmen - ein Vorbild auch für andere Politikfelder?

Geisel Ich stehe für eine nachhaltige Haushaltspolitik, darauf können Sie sich verlassen. Ich möchte jedoch auch keine Nebenhaushalte, die der Bilanzkosmetik nahekommen. Es ist keine Schande, wenn eine Stadttochter wie die Rheinbahn Kredite aufnimmt und dies ausgewiesen wird. Diesen steht ja auch Vermögen gegenüber. Diese Feststellung gilt auch für andere Stellen in der Stadt.

Mit welcher Mehrheit würden Sie denn am liebesten im Rat regieren?

Geisel Am liebsten ohne ein starres Bündnis, sondern in einem breiten Konsens mit möglichst allen Parteien bei wichtigen Themen. Mein Ergebnis bei der Stichwahl zeigt, dass ich auch viel Zuspruch von Wählern anderer Parteien bekommen habe. Das ist ein Signal, dass die Menschen in dieser Stadt das Lagerdenken leid sind. Ich will die Lager aufweichen und möchte dafür ein geordnetes Verfahren schaffen mit regelmäßigen, parteiübergreifenden Treffen.

Was sind für Sie die drängendsten Probleme der Stadt?

Geisel Aktuell sicher die Sturmschäden. Dann der bezahlbare Wohnraum. Ich denke, wir müssen über eine selbstbewusstere Rolle der Städtischen Wohnungsgesellschaft nachdenken, auch da suche ich den Konsens. Mein Ziel sind jährlich 3000 neue Wohnungen. Beim Verkehr bin ich für einen Vorrang von Straßenbahnen an Kreuzungen. Wir sollten auch auf einzelnen Linien den Takt verdichten und über andere Betriebszeiten nachdenken. Da orientiert sich manches noch an den alten Ladenschlusszeiten. Samstags sollte es den dichteren Takt bis 20 Uhr geben. Ich werde mich darum rasch kümmern.

Haben Sie eigentlich nach dem ersten Wahlgang einmal gedacht, es könnte mit Ihrer Wahl noch schiefgehen?

Geisel Am Abend des Sturms. Ich habe damit gerechnet, dass Herr Elbers am nächsten Tag den Wahlkampf für beendet erklärt und ankündigt, sich nur noch um die Sturmschäden zu kümmern. Das wäre für mich eng geworden. Er hätte sich als Helmut Schmidt von Düsseldorf inszenieren können.

DAS INTERVIEW FÜHRTEN DENISA RICHTERS, ARNE LIEB UND UWE-J. RUHNAU.

(dr)
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