Serie Der Mai Im Gleichschritt durch die Flora

Düsseldorf · Die Seniorengruppe der Naturfreunde Düsseldorf ist jeden Donnerstag bei Wind und Wetter unterwegs. Die älteste Teilnehmerin ist 85.

Am Anfang gehörte der Wald den Männern. Die ersten Wanderer waren vor über 100 Jahren mit Stab und Lodenmantel unterwegs, meist ohne weibliche Begleitung. Das hat sich radikal geändert. Längst sind die Frauen nicht nur in die Fußstapfen ihrer Vor-Läufer getreten - sondern ziehen zügig an ihnen vorbei. Wenn sich die Seniorengruppe der Naturfreunde Düsseldorf jeden Donnerstag trifft, dann sind die Damen meist unter sich. Bei Wind und Wetter ist ihnen das Wandern eine Lust.

Der Bach biegt gluckernd um die Kurve, die jungen Bäume biegen sich im Wind. Keine Abgase, kein Motorengeräusch, nur ferne Akkordeonklänge dringen durch die Stille. Soeben hat sich die Seniorengruppe der Naturfreunde Düsseldorf vor Schloss Benrath getroffen, 20 Frauen im Rentenalter. Gezwitscher liegt in der Luft - auch von den Vögeln. Die meisten kennen sich schon lange, sind schon viele Kilometer miteinander auf Tour gewesen. Oft plaudernd, selten schweigend, immer mit allen Sinnen schnuppernd, lauschend, sehend: "Fliegt da etwa ein Bussard?" "Hast du das Wiesenschaumkraut gesehen?" "Wie der Flieder wieder duftet!"

Helga (81) - Nachnamen bleiben bei den Naturfreundinnen zuhause - wandert schon ihr Leben lang. Während sie flott ausschreitet und von ihren frühen Erlebnissen in der Flora berichtet, stimmen andere vielstimmig das erste Lied des Tages an: "Der Mai ist gekommen." Karlheinz (75) hört zu und sieht ein bisschen skeptisch aus. Er ist heute mit seiner Frau auf Probe in der Gruppe und wundert sich, dass außer ihm kein Mann dabei ist. Nicht mal Peter, der ja sonst immer mitlaufen soll. "Wenn ich das gewusst hätte..." Doch ein paar Kilometer weiter hat er sich schon durch die Reihen geplaudert. "Man ist ja auch hier, um neue Kontakte zu knüpfen."

Die Gruppe hat mittlerweile den Schlosspark hinter sich gelassen und nimmt Kurs auf Urdenbach, immer am Rhein lang. Kein Wölkchen trübt den Himmel. Aber auch wenn jetzt der Regen prasseln würde, wären sie unterwegs. "Früher waren Schirme ja verpönt beim Wandern, da war man nur in Regenmantel unterwegs, aber wir haben immer einen Knirps im Rucksack". Beate (73) berichtet von einem ganz scheußlichen Wetter neulich, als sie nur zum Treffpunkt nahe ihrer Wohnung gegangen war, um mal zu sehen, ob überhaupt jemand kommt. "Ich traute meinen Augen kaum, alle vollzählig." Nicht zimperlich, die Damen. Wanderführerin Marie-Luise legt eine kurze Pause ein, bevor es vorbei an blühenden Birnbäumen und durch Butterblumenwiesen hoch zur Straße Am Ausleger geht. Dabei wird das Geheimnis ihres schwarzen Beutels unter all den Rucksäcken gelüftet: Sie hat immer Süßigkeiten für ihre Gruppe dabei - Pralinen am Wegesrand, kleines Kraftfutter für die nächsten Kilometer. Und für den nächsten Plausch. "Ich hab ja gar nicht gewusst, wie schön die Düsseldorfer Umgebung ist", schwärmt Erika (76) im satten Grün. Früher hatte sie keine Zeit für die Wanderschaft, heute bestimmt auch sie gelegentlich als Wanderführerin Route und Tempo. "Man muss kontaktfreudig sein und gut mit Menschen können." Manchmal seien unter den Mitläufern auch mal schwierige Typen, "die gern an allem herumnörgeln". Wie viele Kilometer sie in ihrem Leben schon gelaufen ist? "Keine Ahnung." Einen Schrittzähler jedenfalls hat sie noch nie dabei gehabt. Ein Navi auch nicht. Schließlich ist der Weg das Ziel - und manchmal auch die Herausforderung. "Oft gehe ich eine neue Strecke mehrfach, denn die Tour darf nicht zu lang, nicht zu kurz, nicht zu steil sein", weiß Erika. Und am Ende muss immer ein Café die Mühen der fidelen Truppe belohnen. Die Naturfreundinnen haben mittlerweile wieder Kurs auf Benrath genommen. Annemarie (85) trägt längst ein keckes Strohhütchen gegen die Sonne. Sie ist die Älteste und der beste Beweis dafür, dass Wandern Balsam ist für die Beine und die Befindlichkeit ist. "Die Gruppe tut mir gut." Pause. "Und wenn man mal Sorgen hat, dann vergisst man sie in der Natur." Nur schade, dass diese Erkenntnis sich bei den Jungen nur schwer durchsetzen würde. Sie sind rare Wesen im Wanderverein, laufen allenfalls mal bei einem "Natur-Event" mit.

Der Schlosspark ist nur noch ein paar Schritte entfernt, da prallt auf einer Brücke angesichts giftgrüner Gewächse im Bach Expertenwissen aufeinander. "Das sieht wie Entengrütze aus." "Auf keinen Fall, das ist Wasserpest." "Ich tippe auf Algen." Karlheinz hält sich raus. Ob er Mitglied wird? Noch will er sich nicht festlegen. Aber er sieht nicht so aus, als hätte er männliche Begleitung an diesem Nachmittag besonders vermisst.

(RP)
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