Düsseldorf In der Höhle des Doktor Koch

Düsseldorf · Die Band Vibravoid ist bei Freunden psychedelischer Musik eine feste Größe. Ihr Kopf, Christian Koch, hat uns daheim empfangen.

 Doktor Koch (45) zuhause: Links sieht man die Vinyl-Sammlung samt Dual-Plattenspieler und Grundig-Kugelboxen. Hinten rechts an der Wand ein Konzertplakat von Pink Floyd, auf dem auch der 1968 aus der Band geworfene Syd Barrett noch genannt wird.

Doktor Koch (45) zuhause: Links sieht man die Vinyl-Sammlung samt Dual-Plattenspieler und Grundig-Kugelboxen. Hinten rechts an der Wand ein Konzertplakat von Pink Floyd, auf dem auch der 1968 aus der Band geworfene Syd Barrett noch genannt wird.

Foto: Andreas Bretz

Die Treppe zum dritten Stock führt hinab in die Vergangenheit, und wenn man oben angekommen ist, steckt man tief im Jahr 1968. In diesem Wolkenkuckucksheim wohnt Doktor Koch, so nennen sie den Mann, dessen enorme Koteletten sich unter seinem Kinn die Hände reichen. Eigentlich heißt er Christian Koch, aber keiner sagt das, es wäre zu profan. Der Doktor ist Kopf der Band Vibravoid, eines Trios, das Musik macht, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Sie klingt nach den frühen Pink Floyd, als Syd Barrett noch dabei war. Gitarrenakkorde wiederholen sich über zehn Minuten, die Orgel summt, und dazu singt Koch von Geisterschiffen, den Sternen - und von Tibet.

Gestern erschien das 14 Jahre alte Debüt von Vibravoid in einer remasterten Version. "2001" heißt es, und das ist ein schöner Anlass, mal beim Doktor daheim in Bahnhofsnähe zu klingeln. Viele, die ihn getroffen haben, fragen sich ja, wie es dort wohl aussehen mag. Und wer da war, kann bestätigen: Genau so, wie man es sich vorstellt. In Uschi Obermaiers Zimmer in der Kommune 1 dürfte jedenfalls eine ähnliche Atmosphäre geherrscht haben.

An der Wand kleben Poster von Pink Floyd und Plakate von Frauen, die Joints halten. Die Wohnung hat keine Zimmertüren, vor den Durchgängen hängen Tücher. Ein Gerät der Firma Optikinetics projiziert pschychedelische Lichteffekte an die Wand, und unter dem Couchtisch vom Flohmarkt lagern rund zehn Kilo Räucherstäbchen.

Es ist früh, zu früh für den Doktor, deshalb legt er Musik zum Wachwerden auf: Lord Sitar, eine Platte aus dem Jahr 1967, auf der Beatles-Hits auf der Sitar nachgespielt werden. "Für einen Job habe ich keine Zeit", sagt der 45-Jährige. "Ich lebe nicht von der Musik, sondern durch die Musik." Er zeigt Konzertplakate seiner Band, die Auftritte in Matera in Italien ankündigen, auf Kreta - und in Emden.

Man setzt sich zu ihm auf den dünnen Teppich der Dachgeschosswohnung, und dann führt er durch seine Sammlung. Er hat Original-LPs von den Zombies, Love und The Music Machine. Er holt einen Sampler hervor, "Off" heißt der, 1968 auf Elektra erschienen, und darauf sind Stücke von den Doors und der Incredible String Band. Sein Englischlehrer habe ihm die gegeben, sagt Koch, und da sei es um ihn geschehen. "In den 80ern habe ich gemerkt, dass die Lieder, die ich mag, Coverversionen aus den 60ern sind. Und als ich die Originale hörte, merkte ich, dass die besser sind als die Cover." Eines Tages, das war schon Anfang der 90er Jahre, wachte der Doktor auf und wusste: "Ich bin Musiker." Er brachte sich also das Gitarrespielen bei und gründete Vibravoid, die Sixties-Band aus der Gegenwart.

Man kann mit Koch herrlich über Musik reden. "Wer The Who nicht mag, hat ein grundlegendes Problem mit Rockmusik", sagt er. "Wenn Künstler Drogen nehmen, sollte man es ihrer Musik auch anhören." Und: "Vibravoid tritt ohne Setlist auf. Wer Pläne macht, wird am Ende bloß enttäuscht."

Der Doktor lebt ohne Uhr und Smartphone. Er erzählt von Tourneen, auf denen zwischen den Auftritten zwölf Stunden Fahrt lagen und er vom Auto direkt auf die Bühne gegangen ist. Seine Alben erscheinen in aufwändigen Vinyl-Editionen. Er lässt sie in Tschechien pressen, weil sie dort seine Ideen so gut umsetzen: farbiges Vinyl, das aussieht wie gebatikt. Jede LP kommt mit Op-Art-Scheiben, mit denen man Psychedelik-Effekte produzieren kann. Sammlerstücke: Die Single "Rheinflow" etwa wurde bei Ebay just für 190 Euro verkauft.

Der Doktor zeigt noch seine Filmsammlung. "Ich bin ein Groupie" mit der jungen Ingrid Steeger steht da - "aber nur, weil die Band Birth Control darin einen Auftritt hat". Weitere Titel: "Alice In Acidland" und "Gas-s-s-s", ein Film, in dem alle sterben, die älter als 25 sind. Irgendwann legt Koch die LP "The Zodiac: Cosmic Sounds" auf. "Must Be Played In The Dark" steht auf dem Cover. "Ich sehe Frauen in wallenden Hippie-Kleidchen über Wiesen hüpfen", schwärmt Koch. "So stelle ich mir das Monterey-Pop-Festival 1967 vor." Er seufzt.

Der Doktor träumt von früher. Heute wollen wir ihn nicht länger stören.

(RP)
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