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Thilo Strauch "Jedem Opfer kann geholfen werden"

Düsseldorf · Der Opferschutzbeauftragte der Polizei wirbt für das dichte Hilfsnetzwerk in Düsseldorf - auch bei seinen Kollegen. Die haben meist als Erste Kontakt mit Kriminalitätsopfern und können deren Bedürftigkeit früh erkennen.

 Thilo Strauch ist Opferschutzbeauftragter beim Kriminalkommissariat Vorbeugung im Düsseldorfer Polizeipräsidium.

Thilo Strauch ist Opferschutzbeauftragter beim Kriminalkommissariat Vorbeugung im Düsseldorfer Polizeipräsidium.

Foto: Andreas Endermann

Opfer ist ja in den vergangenen Jahren so etwas wie ein Schimpfwort geworden.

Thilo Strauch In einer bestimmten Jugendkulturszene wird es so benutzt. Aber in meiner Wahrnehmung als Opferschutzbeauftragter erlebe ich das nicht so, eher eine insgesamt eher inflationäre Verwendung des Begriffs.

Inwiefern inflationär?

Strauch Es gibt eine um sich greifende Neigung, sich selbst als Opfer zu sehen - im Sinne davon, dass andere schuld an der eigenen Situation sind, dass man andere in der Pflicht sieht, etwas für einen selbst in Ordnung zu bringen. Wo nichts mehr zwischenmenschlich geregelt wird, fühlt sich immer einer als Opfer. Das hat aber alles mit Opfern von Kriminalität nichts zu tun.

Bei der Polizei gewinnt der Opferschutz als Aufgabe erst in den letzten 20 Jahren an Bedeutung. Hatten Sie damals als Berufsanfänger das Thema schon auf dem Schirm?

Strauch Nein. Ich habe mich für den Beruf sicher auch mit der Idee entschieden, dass ich helfen will. Aber da stand der Gedanke, Täter zu stoppen eher im Fokus.

Und wie sind Sie dann zum Opferschutz gekommen?

Strauch Weil mir, insbesondere bei der Arbeit im Bereich der Seniorenkriminalität die Auswirkungen von Straftaten sehr intensiv vor Augen geführt wurden. Der Kontrollverlust über das eigene Handeln, Schuldgefühle, Angst - das sind Folgen, die alle Opfer gemeinsam haben, und die sich so weit auswirken können, dass die Betroffenen ihr ganzes Verhalten grundlegend ändern.

Wie kann die Polizei da helfen?

Strauch Indem die Kollegen, die den Fall aufnehmen, erkennen, dass es dem Geschädigten - so heißen Opfer im Polizeideutsch - nicht gut geht, dass er Hilfe braucht. Und dann eben darüber informiert, wo diese Hilfe zu finden ist. Unsere Beamten haben zum Beispiel ein Faltblatt dabei, in dem alle wichtigen Anlaufstellen des Hilfsnetzwerks in Düsseldorf aufgeführt sind, darunter auch der Weiße Ring, die Frauenberatungsstelle und die Ambulanz für Gewaltopfer. (siehe Infokasten, Anm. der Red.) Das funktioniert hier sehr gut. In Düsseldorf kann jedem Opfer geholfen werden.

"Kann" heißt aber nicht "wird"...

Strauch Natürlich nimmt nicht jedes Opfer einer Straftat die Angebote auch wahr. Das hat unterschiedliche Gründe. Es gibt Fälle, da würden Sie denken, jemand müsste am Boden zerstört sein, und die Betroffenen gehen damit locker um. Und dann gibt es wieder Leute, die auf vermeintliche Bagatellen traumatisiert reagieren. Das ist sicher auch eine Frage der persönlichen Konstitution.

Und wie erkennt ein Polizist, mit welchem Typ er es zu tun hat'?

Strauch Das gehört zu den Dingen, die Polizisten in der Ausbildung, hauptsächlich aber durch die Erfahrung lernen. Es gehört aber auch ein bisschen Fingerspitzengefühl dazu, den richtigen Zeitpunkt für die Aufklärung eines Geschädigten zu finden. Unmittelbar nach einer Tat ist ein Betroffener vielleicht gar nicht richtig aufnahmefähig dafür.

Und wenn er dann nicht versteht, was er für Rechte und Möglichkeiten hat, nimmt er sie eben auch nicht wahr?

Strauch Das ist ja meist nicht die letzte Gelegenheit, bei der die Kollegen das Opfer treffen - bei einer späteren Vernehmung etwa kann man auch noch darüber sprechen. Und es gibt neben dem erwähnten Flyer auch ein Merkblatt, in dem die Opferrechte, zum Beispiel auf Entschädigung oder Rechtsbeistand aufgeführt sind. Grundsätzlich gilt aber: Je früher geholfen werden kann, desto besser.

Dieses "Sie haben ein Recht auf einen Anwalt" gilt also nicht nur für den Täter?

Strauch Nein. Der Unterschied ist nur, dass ein Strafverfahren gegen einen Täter daran scheitern kann, wenn ein Polizeibeamter diese Belehrung des Täters vergisst. Denkt er nicht daran, das Opfer zu informieren, hat das keine juristischen Folgen für das Strafverfahren oder den Beamten. Unter Umständen aber für das Opfer.

Was einer der Gründe dafür ist, dass es Ihre Dienststelle gibt.

Strauch Ja. Wir sind diejenigen, die das Bewusstsein dafür wachhalten, die die Beamten über Opferrechte und Hilfsangebote auf dem Laufenden halten, wir haben so etwas wie eine Vermittlerrolle.

Aber die eigentliche Aufgabe der Polizei ist doch die Verbrechensbekämpfung. Und Sie haben ja auch genug zu tun. Könnte man da nicht sagen, kümmern Sie sich mal lieber um die Täter, und für die Opfer sind eben die anderen Netzwerk-Partner da?

Strauch Ein Verbrechensopfer kommt doch mit dem Netzwerk deutlich schwerer zusammen, wenn die Polizei es nicht darüber informiert. Die meisten Leute haben sich mit dem Thema ja nie beschäftigt, bevor sie Opfer geworden sind. Vielleicht kennen sie dann jemanden, der sich auskennt, vielleicht aber auch nicht. Den ersten Kontakt zu einem Opfer hat immer die Polizei - und deshalb ist es wichtig, dass von uns auch die Impulse gegeben werden. Und davon abgesehen: Die Arbeit mit den Opfern ist ein wesentlicher Bestandteil auch der Verbrechensbekämpfung. Sie sind schließlich auch wichtige Zeugen. Da können wir nicht einfach sagen, mit denen haben wir nichts zu tun, da sollen sich andere kümmern.

Die häufigsten Straftaten in Düsseldorf sind Eigentumsdelikte. Welche Taten haben die Opfer erlebt, die Hilfe brauchen?

Strauch Einbruchsopfer suchen häufiger Rat, da geht es nicht nur um die - sicher oft auch gravierenden - psychischen Folgen, sondern auch um Rechtsansprüche oder Sicherheitsmaßnahmen für die Zukunft. Aber die Beratungsstellen haben vor allem mit Opfern häuslicher Gewalt und - zunehmend häufig - mit Stalking zu tun.

Haben sich eigentlich die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Strauch Vielleicht insoweit, als der Opferschutz insgesamt, und damit auch der polizeiliche, mehr in den öffentlichen Fokus geraten ist.

Ist das gut oder schlecht?

Strauch Ein bisschen mehr ins Bewusstsein zu rücken, auch bei unseren Kollegen, kann zumindest nicht schaden.

STEFANI GEILHAUSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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