Serie Unser Rhein Jeden Tag ein anderer Nachbar

Düsseldorf · Das Familienleben der Rheinschiffer spielt sich vor allem an Bord ab. Klar, dass der Funke dann auch auf die Kinder überspringt. So wie bei Jan-Wim van den Heuvel, in der dritten Generation Schiffsführer mit eigenem Frachter.

 Wenn Familie van den Heuvel mit dem Rheinschiff unterwegs ist, reist auch der geräumige Van mit - und wird bei Bedarf aufs Festland gehoben.

Wenn Familie van den Heuvel mit dem Rheinschiff unterwegs ist, reist auch der geräumige Van mit - und wird bei Bedarf aufs Festland gehoben.

Foto: Endermann

Kein Schiff ist wie das andere. Jedes ist mehr als ein Schiff und immer ein wenig wie eine Arche Noah, ein Zufluchtsort, eine sich fortbewegende Behausung. Für Jan-Wim van den Heuvel ist sein Wasserfahrzeug Zuhause und Arbeitsstätte zugleich. Der 42-Jährige führt die Schiffer-Tradition seiner Familie inzwischen in der dritten Generation fort. Der Großvater hat mit 100 Tonnen angefangen, der Vater ist auf 500 umgestiegen und der Enkel fährt inzwischen mit einem 80 Meter langen 1000-Tonnen-Frachtschiff namens "Nivoma" kreuz und quer durch die deutschen, niederländischen und belgischen Binnengewässer. An Bord hat er stets Ladungen wie Sojaschrot, Kies, Rapsschrot oder Sand, die er von Holland nach Deutschland und zurückbefördert.

Der selbstständige Schiffseigentümer - auch Partikulier genannt - hat vorige Woche nach 24-stündiger Fahrt aus Amsterdam endlich mal wieder bei den Neuss-Düsseldorfer Häfen festgemacht. "Neuss ist für mich der beste Hafen mit einer der schönsten Löschstellen in Deutschland. Die Abfertigung ist perfekt und ohne Leerzeiten." Außerdem gefällt es ihm, dass im Neusser Hafenbecken reichlich Platz ist, er direkt an der Kaimauer ankern und so bequem an Land gehen kann.

Was vor allem seine Frau, die drei Söhne und die drei Töchter zu schätzen wissen. "Dann werden morgen frische Brötchen gekauft und wildwachsende Brombeeren zum Frühstück gepflückt." Während der Schulferien ist die Familie meist komplett mit auf Tour. Während also ein Kran-Bagger zehn Stunden lang die 1000 Tonnen Futtermittel aus den Laderäumen hebt, bringt der Schiffer Südholland auf Deck seinen eigenen, bis zu 16 Meter Höhe ausfahrbaren Kran in Stellung. Damit bugsiert er sein Auto, einen familienfreundlichen Van, in die Höhe und bugsiert ihn über die Kaimauer an Land. Seine Frau Betty will mit den Kindern einen Ausflug in die Stadt machen und auch gleich Lebensmittel für die Kombüse einkaufen.

Früher kamen zur Versorgung der Binnenschiffe noch Proviantboote vorbei, schwimmende Tante-Emma-Läden mit frischen Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs, die zudem Kleidung und Ausrüstungsgegenstände für das Schiff dabei hatten. Heute hat jedes Schiff eine Stromversorgung und damit auch Kühlschränke an Bord.

"Wir leben hier eigentlich so wie zu Hause, allenfalls ein bisschen enger aufeinander", sagt Jan-Wim van den Heuvel. Unter dem Steuerhaus wird gegessen, gespielt, gelesen und geschlafen, jeder hat dort seine Koje. Doch am liebsten halten sich alle im voll-elektronisch mit Radar und Bordcomputer ausgestatteten Ruderhaus auf. Von dort haben sie alles im Blick und können zur Hand gehen. "Auf dem Schiff gibt es immer was tun", sagt der Kapitän. Putzen, Streichen, den Laderaum ausspritzen - Arbeiten, die, wenn nicht gerade Urlaub ist, zwei festangestellte Matrosen übernehmen.

Jan-Wim van den Heuvel ist auf dem Wasser groß geworden, bevor er mit 16 als Matrose anheuerte und mit 22 sein erstes eigenes Schiff übernahm. Zum Glück geht es seit der Wirtschaftskrise 2009 auch wieder aufwärts. "Ich habe gut zu tun. Fünf Tage die Woche bin ich auf dem Wasser und am Wochenende bei der Familie."

Ein Leben an Land ist für ihn undenkbar. "Auf dem Wasser bin ich frei, habe frische Luft und jeden Tag andere Nachbarn", betont er. Über den Nordostseekanal, von Hamburg bis Basel, Straßburg und Kelheim - rauf und runter ist er den Rhein schon geschippert, bei Wind und Wetter, Hoch- und Niedrigwasser. Die vierte Generation steht schon in den Startlöchern. Eldert, mit 14 Jahren der älteste Sohn, kann es kaum erwarten, mit der Ausbildung zu starten. Zukunftssorgen muss er sich nicht machen: Bei guter Pflege kann die "Nivoma", Baujahr 1964, gut 100 Jahre alt werden. Und es gibt schließlich fast nichts, was sich nicht mit einem Binnenschiff transportieren lässt.

(RP)
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