Kolumne "Die Woche In Düsseldorf" Jetzt muss sich Edathy vor Tilly fürchten

Düsseldorf · Jacques Tilly, Wagenbauer des Rosenmontagszuges, bastelt schon an den geheimen Mottowagen. Wer dran kommt, kommt dran.

Rosenmontag Düsseldorf 2024: Das waren die Mottowagen von Jacques Tilly
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Die Mottowagen beim Rosenmontagszug 2024 in Düsseldorf

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Mahmud Ahmadinedschad, Saddam Hussein, George W. Bush, Barack Obama, Angela Merkel, aber auch Kardinal Meissner und Dirk Elbers — sie alle sind bereits Stars im Düsseldorfer Rosenmontagszug gewesen. Glorreich dargestellt wurden sie freilich nie, eher respektlos, ja rotzfrech.

Aber manche Mächtige lassen sich nicht ungerührt veräppeln — und weil der Wagenbauer des Rosenmontagszuges, Jacques Tilly, zweimal erlebte, wie Menschen mit Einfluss — es waren Düsseldorfer Oberbürgermeister — seine Wagenentwürfe killten, einigte er sich mit den Chefs des CC auf Geheimhaltung: Keiner sieht die Entwürfe bis zum Morgen des Rosenmontags. Und dann rollen sie über die Straßen der Landeshauptstadt, sind also nicht mehr zu stoppen.

Da steckt Merkel im Hintern des US-Präsidenten, legt der Kölner Kardinal die Fackel an einen Scheiterhaufen, auf dem Frauen stehen, wird der frühere iranische Diktator — berüchtigt wegen seiner ausbaufähigen Körperpflege — als müffelnder Stinkstiefel mit der "Achsel des Bösen" präsentiert. Christian Wulff stürzt ab, zu Guttenberg auch, Dirk Elbers gibt den ungnädigen Großfürsten — Tillys Karikaturen der dreidimensionalen Art lassen keine Fragen offen und sind meist so auf den Punkt, dass sie von Medien weltweit gern als Illustration für Nachrichten genutzt werden.

Düsseldorf: Karnevalstermine 2014
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Das beschert dem Düsseldorfer Karneval hoch willkommenes Aufsehen, eine Gratis-Werbung sozusagen. Die dazu führte, dass man in Köln vor ein paar Jahren versuchte, Tilly abzuwerben. Der jedoch lehnte grinsend ab. Tilly: "In Köln entscheiden zu viele Leute mit bei den Entwürfen, sogar das Domkapitel wird gefragt. In Düsseldorf darf ich machen, was ich will." Narrenfreiheit also, im wahrsten Sinne des Wortes. Eingeweiht sind nur zwei Leute aus dem CC-Vorstand, einer davon ist Präsident Josef Hinkel. Der jedoch weiß sehr wohl um den Imagegewinn durch spitze Mottowagen — und lässt Tilly gewähren.

Das wird auch dieses Mal so sein. Von den Mottowagen — immer rund ein Dutzend — dürften womöglich zwei oder drei bereits fertig sein. Sie beschäftigen sich mit Themen, bei denen keine Überraschung mehr zu erwarten ist — beispielsweise könnte Angela Merkel als "eisern-ewige Kanzlerin" so ein Wagen sein. Oder der Papstwechsel von Benedikt zu Franziskus. Dass Kölns Kardinal Meissner demnächst in Rente geht, wird von Tilly übrigens sehr bedauert — der kantige kölsche Kirchenfürst hat ihm manche Idee (und bei deren Umsetzung viel Ärger) beschert.

Dass beim Zoch am 3. März Themen wie die NSA-Abhöraffäre ("Obama belauscht Merkels Telefonate") oder der Skandal um den ADAC eine Rolle spielen, ist höchst wahrscheinlich, aber längst nicht sicher. Auch die Affäre Edathy ist gesetzt, jedoch bei politischen Beben dieser Art wartet Tilly bis zuletzt: Mag sein, dass er bereits eine Idee im Kopf hat — aber einen Entwurf wird er erst wenige Tage vor Karnevals machen, weil derzeit überhaupt nicht absehbar ist, wie weit der Spaltpilz aus den Reihen der SPD bis dahin gewuchert ist und welche Konsequenzen er noch auslöst.

Wirklich sehen wird man das allerdings am Morgen des 3. März — Rosenmontag. Dann rollen diese Wagen aus einer eigenen, streng abgeschirmten Halle hinter dem Depot am Steinberg, und nicht selten sind sie sogar noch verhüllt bis zum Start des Zuges an der Cecilienallee. Den Zugang zu besagter Halle haben nur Tilly, einiges seiner Mitarbeiter und die CC-Chefs. Kein anderer darf das Refugium betreten, Wachleute stehen immer dann an den Zugängen, wenn in der benachbarten Wagenbauhalle Menschen an der Arbeit sind.

Wie ernst den Narren diese 'Geheimnisse sind, musste vor zwei Jahren der damalige (und inzwischen verstorbene) CC-Geschäftsführer Jürgen Rieck erleben: Er hatte am Karnevalssonntag der RP den Entwurf für den Guttenberg-Wagen zur Verfügung gestellt, für eine Veröffentlichung am Rosenmontag selbst, also am Tag, als der Wagen offen für alle war. Trotzdem wurde dieser Alleingang böse geahndet: Rieck musste zurücktreten.

(RP)
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