Brigitte Grass "Kampfgeist hilft mir an der Fachhochschule"

Düsseldorf · Die FH-Präsidentin spricht über den schwierigen Prozess, eine Strategie für die gesamte Hochschule durchzusetzen, und die Frauenquote.

 FH-Präsidentin Brigitte Grass hält das geplante neue Hochschulgesetz für "einen Schritt rückwärts" und spricht sich gegen eine Frauenquote aus.

FH-Präsidentin Brigitte Grass hält das geplante neue Hochschulgesetz für "einen Schritt rückwärts" und spricht sich gegen eine Frauenquote aus.

Foto: Schaller

Frau Grass, Sie haben zwölf deutsche Titel im Fechten, waren Vize-Weltmeisterin. Hilft das an der FH beim Ausfechten von Entscheidungen?

Grass Der Kampfgeist und die Fähigkeit, Niederlagen einzustecken, trotzdem einen zweiten Versuch zu starten und neue Strategien zu entwickeln, um ans Ziel zu kommen: Das hilft mir aus der Zeit im Leistungssport. Der Kampfgeist ist wichtig, denn es ist ja nicht so, dass an der FH immer alle "Ganz toll!" sagen, wenn man etwas neu entwickeln will. Es ist nicht einfach, die Interessen von 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einzelnen Fachbereichen zu gemeinsamen Zielen zusammenzuführen. Dass ich viele Jahre als Unternehmensberaterin gearbeitet habe, ist auch hilfreich, denn so hat man eine Außenansicht auf die Hochschule.

Welche Niederlagen mussten Sie an der FH einstecken?

Grass Den Prozess, einen Hochschulentwicklungsplan und damit Strategien für die Weiterentwicklung der Fachhochschule bis 2016 zu entwickeln. Sieben Fachbereiche, Verwaltung und 600 Mitarbeiter auf einen Plan einzuschwören, war schwierig. Da kann man nicht alles umsetzen, wie man will. Doch wir haben es geschafft, uns auf Leitlinien zu einigen wie Praxisorientierung, Internationalisierung, Innovationen und fächerübergreifende Projekte in Lehre und Forschung.

Das Land will mit einem Gesetz mehr Einfluss nehmen auf die Hochschulen, bei Personal, Haushalt und Studienangeboten. Wie stehen Sie dazu?

Grass Das würde in unsere Wissenschaftsfreiheit eingreifen. Und wir haben in den vergangenen Jahren an den Hochschulen doch so viel gemeistert, die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge und den Ansturm der doppelten Abi-Jahrgänge. Das Gesetz wäre ein Schritt rückwärts, wir brauchen keine Detailsteuerung durch das Land. Ich erinnere mich noch daran, wie mühsam, bürokratisch und langwierig es war, mit dem Land Stellen zu besetzen. Das braucht niemand.

Das Land will die FHs stärken, einigen etwa das Promotionsrecht geben. Sind das nicht positive Signale?

Grass Das Promotionsrecht könnte man auch durch Gesetzesänderungen einbringen. Mit anderen Hochschulen bieten wir bereits kooperierende Promotionen an, etwa mit der Heine-Universität. Das funktioniert gut, kann aber auch an einigen Stellen mühsam sein, deswegen wünschen wir uns neue Lösungen: Wir könnten uns ein NRW-weites Institut für Graduierte vorstellen. Das Land will mehr Transparenz bei der Verwendung der Landesmittel.

Grass Wir sind verantwortungsvoll mit dem Geld umgegangen, geben eine Flut an Informationen aus: einen Jahresbericht, der von Wirtschaftsprüfern geprüft wird, einen Hochschulentwicklungsplan und Forschungsbericht. Ich bin Betriebswirtin und wäre dafür, dass man statt 1000 Einzelanfragen einen Katalog an Anfragen erarbeiten würde, den die Hochschulen beantworten.

Mit einer Quote soll der Frauenanteil in Leitungsgremien auf 40 Prozent gesteigert werden. Wie sehen die Zahlen an der FH aus?

Grass Wir haben im Hochschulrat bereits 50 Prozent Frauen, das Präsidium ist mit zwei Frauen an der Spitze besetzt, im Senat liegt der Frauenanteil bei 32 Prozent, bei den Professorinnen bei 24. Ich bin dafür, dass man den Hochschulen erst einmal eine Frist setzt, um den Anteil zu erhöhen, denn das geht nicht von heute auf morgen. Erst wenn das nicht klappt, könnte ich mir eine Quote vorstellen.

War es ein holpriger Weg an die Spitze der Hochschule?

Grass Das habe ich nie so empfunden. Es ist ein bisschen schwieriger, in solche Positionen reinzukommen, weil die Auswahlgremien häufig mit Männern besetzt sind, das funktioniert nicht immer, dass sie eine Frau wollen. Aber gerade in unserem Hochschulrat bin ich sehr gut aufgenommen worden. Und die Spitze der Hochschule hatte ich mir ja auch gar nicht vorgenommen, das ergab sich mehr aus der Not: Ich bin Mutter von zwei Kindern und arbeitete als BWL-Professorin. Da ich eines Tages nur noch ein Stimmband hatte, konnte ich mein Lehrdeputat von 18 Stunden nicht so gut bewerkstelligen. So wurde ich Gründungsdekanin, Senatsmitglied, Aufsichtsratsmitglied in Firmen und schließlich FH-Präsidentin.

Der 224 Millionen Euro teure Neubau der FH in Derendorf sollte eigentlich schon eröffnet sein. Wann rechnen Sie mit einem Umzug der ersten Fachbereiche?

Grass Das Projekt ist eine große Herausforderung. Das Wetter spielt zurzeit mit, so dass wir jetzt davon ausgehen, dass der Umzug der Fachbereiche Sozial- und Kulturwissenschaften, Wirtschaft und auch der Verwaltung vom Campus der Uni Düsseldorf nach Derendorf im Januar 2015 beginnt. Bis Herbst 2015 soll dann der zweite Bauabschnitt folgen.

Mit einem Gedenkort soll 6000 Juden erinnert werden, die während der NS-Zeit von einem Teil des Areals in die Vernichtungslager deportiert worden waren. Finanzielle Hilfe dafür zu bekommen, war nicht einfach. Fällt Ihnen ein Stein vom Herzen, dass die Stadt nun bis zu 200 000 Euro bereitstellen will?

Grass Ich bin sehr erleichtert und danke der Stadt für ihre Hilfe. Studierende und Lehrende, zum Beispiel aus dem Bereich Ausstellungsdesign und unserer Forschungsstelle für Rechtsextremismus, werden gemeinsam ein Ausstellungskonzept erarbeiten. Es wird nicht nur eine Gedenkstätte, sondern auch ein Ort des Lernens.

Welche wissenschaftlichen Projekte sind die Aushängeschilder der FH?

Grass Neben der Forschungsstelle "Rechtsextremismus" ist das die "Nacht der Wissenschaft" im vergangenen Jahr mit über 10 000 Besuchern, mit der die FH, gemeinsam mit Uni und Robert-Schumann-Hochschule, gezeigt hat, dass Düsseldorf ein wichtiger Wissenschaftsstandort ist. Auch in diesem Jahr wollen wir wieder einen EU-Förderantrag stellen. Ein anderes Projekt ist "Studienpioniere". Dabei untersuchen wir die Zugangsvoraussetzungen ins Studium für Menschen aus Nicht-Akademiker-Familien und helfen beim Übergang. Bis jetzt können wir an der FH leider nur unter großer finanzieller Eigenbeteiligung oder durch Sponsoren Forschungsarbeit betreiben.

Sie wurden für sechs Jahre gewählt. Ihre Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Wollen Sie erneut kandidieren?

Grass Das habe ich vor. Danach würde ich in den Ruhestand gehen.

Wohnen Sie eigentlich in Düsseldorf?

Grass Ich komme jeden Morgen aus der "Verbotenen Stadt", doch ich bin keine Kölnerin, wohne aber seit meinem Studium dort. Und es geht wirklich nicht anders. Denn mein Mann hat sein Büro dort und mein Kind studiert in Köln.

SEMIHA ÜNLÜ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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