Düsseldorf Mittendrin im Zoch spielen die schönsten Geschichten

Düsseldorf · Überraschende Geschenke für Polizisten, enttäuschte Brezelfreunde auf dem Marktplatz und ein Paar, das den Karneval durch die Scheibe wiederentdeckt hat – was man im Zoch alles erleben kann.

 Die Polizisten freuten sich über eine großteils friedliche Stimmung.

Die Polizisten freuten sich über eine großteils friedliche Stimmung.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Überraschende Geschenke für Polizisten, enttäuschte Brezelfreunde auf dem Marktplatz und ein Paar, das den Karneval durch die Scheibe wiederentdeckt hat — was man im Zoch alles erleben kann.

 Von den Seychellen kam diese Fußgruppe.

Von den Seychellen kam diese Fußgruppe.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Manche Witze sind auch gut, wenn man sie erklärt. Oder zumindest, wenn Manni Breuckmann sie erklärt. "Da kommt der ADAC-Wagen. Der steht auf dem Kopf, der hat einen Crash gehabt. Auf der Seite steht: ,Beliebtester Mottowagen des Jahres. Gewählt von Millionen verarschter ADAC-Mitglieder." Großes Gelächter bei Breuckmanns Zuhörern. Das sind an diesem Tag 18 Blinde und Sehbehinderte, die auf der AOK-Tribüne am Graf-Adolf-Platz sitzen und über Kopfhörer die Moderation mithören. Breuckmann — der früher für den WDR den Zoch kommentiert hat — berichtet ihnen über alles, was er entdeckt, von den martialischen Hüten der Elleraner Hunnen bis zu den schönen Strümpfen der Funkenmariechen. Co-Moderator Hans-Jürgen Tüllmann steuert karnevalistische Details bei, wenn Breuckmann nicht mehr weiterweiß — oder sich mal wieder ein Alt holt. Die Blinden lauschen mit konzentrierten Gesichtern, nicht nur wegen der Moderation, auch wegen der Musik, dem Jubel — und den Kamellen, die ein anderes Erlebnis sind, wenn man sie nicht kommen sieht. Ein Mann lacht laut auf, als ihn ein Bonbon trifft. Breuckmann, der mit Rastamütze, Ethno-Gewand und Fortunaschal kaum zu erkennen ist, bringt seinen Zuhörern derweil die "karibische Gruppe" näher, die gerade vorbeitanzt (und in Wahrheit von den Seychellen kommt). Als er ihre Flügel loben will, sagt er versehentlich "Geflügelgewänder." Wieder ein Lacher.

 Die KG Regenbogen hat sich gemäß dem Karnevalsmotto fein gemacht.

Die KG Regenbogen hat sich gemäß dem Karnevalsmotto fein gemacht.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Murat Yilmaz verkauft das, was die Leute auf dem Marktplatz kurz vor der Ankunft des Zuges wollen: Brezel und Käsestangen. Sobald sich sein Imbisswagen nähert, jubeln und winken weitere Kunden, die noch eine Stärkung brauchen, aber keinesfalls ihren Platz in der ersten Reihe aufgeben würden, kurz bevor das Spektakel losgeht. Yilmaz, der auf der anderen Seite der Gitter unterwegs ist, kommt mit dem Kassieren kaum nach. Plötzlich steht vor ihm allerdings ein Zugbegleiter, der bezweifelt, dass dieser Verkauf erlaubt ist. Yilmaz holt ein offiziell aussehendes Schreiben heraus, zeigt es vor und ist fest überzeugt, dass alles rechtens ist. Aber alle Diskussion hilft nichts. Auf einmal ist er von Polizei und Sicherheitskräften umkreist und wird mitsamt dem Kollegen und dessen Wagen auf die andere Seite der Absperrung geleitet — traurig schauen ihm die hungrigen Fast-Kunden hinterher und wissen: Jetzt müssen sie doch ohne Brezel durchhalten.

 Viele bunt kostümierte Gruppen sind beim Zoch dabei.

Viele bunt kostümierte Gruppen sind beim Zoch dabei.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Tim und Karina Kaufmann tasten sich vorsichtig an den Karneval heran. Bislang war das junge Ehepaar aus Oberkassel über die tollen Tage immer in den Urlaub gefahren, und das, obwohl Karina aus einer Karnevalsfamilie kommt. Nun schauen sie sich doch mal wieder den Zug an — und haben sich einen tollen Platz ausgesucht: das Yomaro am Carlsplatz, in dem sie sowieso häufig zu Gast sind. Sie sitzen im Warmen an einer Theke am Fenster und essen Frozen Yoghurt, während direkt vor dem Gebäude die Wagen und Gruppen vorbeiziehen. Das ist ein so schönes Erlebnis, dass es sie vielleicht sogar ganz für den Karneval zurückgewinnt: Nächstes Jahr wollen sie sich auf die andere Seite der Scheibe nach draußen trauen.

 Die Prinzengarde Rot-Weiss sorgt für den größten Kamelleregen.

Die Prinzengarde Rot-Weiss sorgt für den größten Kamelleregen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Nie sonst schreien die Kinder so laut "Helau" wie bei der Ankunft der Prinzengarde Rot-Weiss. Das hat nichts mit der nahenden Ankunft des Prinzenpaars zu tun und auch nichts mit den prächtigen historischen Uniformen oder den vielen großen Pferden. Was für die Jubelschreie sorgt, sind die riesigen Körbe mit Schokoriegeln, die den geschulten Blicken sofort auffallen. Ein solcher Kamellenregen ist nirgendwo sonst im Zoch zu finden, zumal der Zug der Rotgardisten überhaupt kein Ende zu nehmen scheint. Die Reiter wissen um ihre Macht und lassen die Kinder immer wieder "Helau" schreien, bevor sie wieder Schokolade regnen lassen. Als die Rot-Weissen, der Prinzenwagen und die Prinzengarde Blau-Weiss dann schließlich doch vorbeigezogen sind, zählen die Kinder begeistert ihre Ausbeute. Manche rümpfen allerdings die Nase, auch einige Erwachsene wedeln mit der Hand vor dem Gesicht. Die Prinzengarde hinterlässt nicht nur Schokoriegel, sondern auch die größte Menge von Pferdeäpfeln im Zoch.

 Diese Katze zieht mit Tambourin über den Grabbeplatz.

Diese Katze zieht mit Tambourin über den Grabbeplatz.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die beiden Polizisten am Grabbeplatz vermeiden auch im Karneval jeden Anschein von Bestechlichkeit. Wenn eine Fußgruppe ihnen Süßigkeiten in die Hand drückt — und das tut fast jede — drehen sie sich sofort um und reichen sie an die Kinder in der ersten Reihe weiter. Dass die Kleinen auf der Jagd nach Kamelle nicht unter die Wagen geraten, ist ihre größte Sorge — und das ist ein Zeichen dafür, dass die Stimmung am Grabbeplatz sehr entspannt ist. Einer der beiden Beamten stand vor einigen Jahren mal ein Stück weiter in der Altstadt, und da hatte er mit Horden von volltrunkenen Jugendlichen zu tun, das war weniger lustig. Am Grabbeplatz ist hingegen Familienprogramm. Immer mal wieder dreht sich einer der Polizisten um und mahnt: "Jetzt alle ein Stück zurückgehen", und das tun die Kinder und Eltern brav, nur gelegentlich muss er ein Kind richtig streng ermahnen.

 Manni Breuckmann kommentiert für Sehbehinderte.

Manni Breuckmann kommentiert für Sehbehinderte.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Plötzlich drückt ein Karnevalist im Vorbeimarsch dem jüngeren Polizisten etwas in die Hand und ruft: "Nicht weitergeben!" Der Beamte wundert sich, blickt auf seine Hand und lacht laut auf. Dieses Präsent hat er dann auch wirklich nicht an die Kinder weitergegeben — es handelte sich um ein Kondom.

 Tim und Karina Kaufmann verfolgen den Zoch im Yomaro.

Tim und Karina Kaufmann verfolgen den Zoch im Yomaro.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Jobsi Driessen weiß, wie man die Spendenbereitschaft der VIP-Gäste steigert: Man macht sich einfach so breit, dass niemand vorbeikommt. Also steht das Karnevals-Urgestein, das mit Wischmob auf dem Kopf und langem Mantel gekommen ist, im engen Durchgang vom Rathaus zu den Sitzplätzen der geladenen Gäste. Er klappert mit der Spendendose, und wenn man auf das Schild blickt, das er sich umgehängt hat, erfährt man, warum: Er sammelt den Solidaritäts-Euro für die Kosten des Zochs, die dem Carnevals-Comitee zunehmend Kopfschmerzen bereiten. Die Dose füllt sich nach und nach, zumal Driessen einen Großteil der Gäste persönlich kennt — auch das steigert die Großherzigkeit. So ganz zufrieden ist er trotz aller Anstrengung aber nicht: Ständig behaupten Leute, sie hätten schon gespendet, obwohl sich Driessen daran nun wirklich nicht erinnern kann. Er plädiert deshalb fürs nächste Jahr für eine Anstecknadel. Dann wäre erkennbar, wer den Karneval wirklich unterstützt.

 Jobsi Driessen sammelt Spenden für den Zug.

Jobsi Driessen sammelt Spenden für den Zug.

Foto: Bretz, Andreas (abr)
 Mehr als eine Million Besucher verfolgen das Spektakel.

Mehr als eine Million Besucher verfolgen das Spektakel.

Foto: Bretz, Andreas (abr)
 Das Prinzenpaar fährt durch die Altstadt.

Das Prinzenpaar fährt durch die Altstadt.

Foto: Bretz, Andreas (abr)
 Nach dem Sieg am Freitag kann die Fortuna ausgelassen feiern.

Nach dem Sieg am Freitag kann die Fortuna ausgelassen feiern.

Foto: Bretz, Andreas (abr)
 SPD und Grüne wollen die Krone von Oberbürgermeister Dirk Elbers.

SPD und Grüne wollen die Krone von Oberbürgermeister Dirk Elbers.

Foto: end
 Die Erlöser der FDP? Christian Lindner und Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Die Erlöser der FDP? Christian Lindner und Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Je näher Bilk rückt, desto gefragter ist Natalie Arnez aus Santa Cruz. Denn niemand im Zug tanzt so kraftaufreibend wie die Amigos de Bolivia. Die rund 30 Tänzer in bunter Tracht springen zu bolivianischer Folklore in einer endlosen Choreographie von links nach rechts und zurück über die Straße, ihr Fahnenschwenker zieht hinter ihnen jubelnd seine Runden. Natalie Arnez, die wie auch die anderen Mitglieder in der Region um Düsseldorf lebt, versorgt die Tänzer mit Wasser, Apfelschorle und Orangensaft — und muss auf den letzten Kilometern in immer kürzeren Abständen nachschenken.

(RP)
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