Düsseldorf Ein Syrer feiert Karneval

Düsseldorf · Fady Bulbuli lebt seit einem halben Jahr in einem Flüchtlingsheim. Vom rheinischen Brauchtum hatte er bisher nur gehört. Wir haben ihn bei seinem ersten Besuch einer jecken Prunksitzung begleitet.

Flüchtling Fady Bulbuli aus Syrien erlebt den Karneval zwischen den Düsseldorfer Jecken Armin-Cornelius und Natalia Turken.

Flüchtling Fady Bulbuli aus Syrien erlebt den Karneval zwischen den Düsseldorfer Jecken Armin-Cornelius und Natalia Turken.

Foto: Anne Orthen

Als die jungen Trompeter am Samstagabend den Song "Das Leben ist schön" in der Rheinterasse schmetterten und es keinen der 900 Gäste bei der Gala-Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft "Till's Freunde" noch auf den Sitzen hielt, gab es auch für den jungen Fady Bulbuli kein Halten mehr. Er feierte ausgelassen, auch wenn man ihm die Bedeutung des Liedtextes anschließend erklären musste.

Denn der 24-jährige Fady befindet sich erst seit fünf Monaten in Deutschland. Geboren und aufgewachsen ist er in Qamishli, eine syrische Stadt im Norden des Landes. Als er sich im brutalen Bürgerkrieg für eine Seite entscheiden sollte, floh er, wie viele andere Syrer, über die Balkanroute nach Deutschland. Nachdem er zunächst in Düsseldorf aufgenommen wurde, ist Fady momentan in einer Flüchtlingsunterkunft in Essen untergebracht. Unter der Woche besucht der sprachtalentierte junge Mann einen integrierenden Deutschkurs, in dem er nicht nur die Sprache lernt, sondern in dem ihm auch die deutsche Kultur näher gebracht wird. Neben Arabisch, Syrisch, Armenisch, Italienisch, Englisch, und Grundkenntnissen in Französisch, wird Deutsch Fadys siebte Sprache sein.

Über die deutsche Kultur hat Fady schon viel gelernt, und seit Samstag weiß er nun auch, wie es sich anfühlt Karneval zu feiern. Zwei Welten trafen aufeinander, aber so richtig fremd sind sie einander nicht.

"In der Unterkunft wurde uns erklärt, dass in Deutschland Karneval gefeiert wird. Ich konnte mir aber nicht so wirklich was darunter vorstellen", beschrieb Fady vor der Prunksitzung in der Rheinterrasse. Hunderte, verkleidete Menschen, eine große Bühne mit Showacts, viel Tanz, Gesang und Lebensfreude. Was für jeden Karnevalisten zur jährlichen Routine gehört, war für Fady eine merkliche Flut von neuen Eindrücken. "Das ist verrückt", wiederholte er immer wieder, als er mit einem Lächeln auf den Lippen den "Radschlägersaal" betrat. Als Verkleidung trug Fady einen klassischen roten Hut mit Blume. Den hatte er sich zuvor ausgesucht, als er vom karnevalistischen Kostümierungsbrauchtum erfahren hatte.

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Foto: dpa, kno

Zur großen Gala-Prunksitzung hatten "Till's Freunde" ein Spitzenprogramm aus vielen Bekanntheiten des rheinischen Karnevals zusammengestellt. "De Fetzer", "Liselotte Lotterlappen" oder "Die jungen Trompeter" lieferten beste Karnevalsunterhaltung. Fady hielt die spannenden Ereignisse fleißig auf Foto und Video fest. Vor allem die Kölner Tanzgruppe "Kammerkätzchen und Kammerdiener" hatte es dem 24-jährigen angetan: "Ich liebe es zu tanzen. Der Auftritt hat mich begeistert." Und so gab es nach der beeindruckenden Show auch ein kräftiges "Helau" vom interessierten Syrer, ganz in den klassischen Karnevalstraditionen aufgehend.

Fady stieß bei "Till's Freunden" auf viel Sympathie: "Wir leben eine Willkommenskultur, geprägt durch unseren Präsidenten Josef Neef", freute sich Norbert Langer, langjähriges Mitglied der Karnevalsgesellschaft, über den Besuch und überreichte ihm den offiziellen Sessionsorden. "Karneval ist eine Lebenweise, mit der das täglicher Einerlei für einen kurze Zeit vergessen wird."

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Foto: Cenk Cigdem

Nach dem langen und spannenden Karnevalsabend ging es für Fady zunächst zurück in die provisorische Unterkunft nach Essen. Ab dem 20. Februar darf sich der engagierte Syrer eine eigene Bleibe suchen. Er möchte dann schleunigst einen Job finden, um auf lange Sicht ein Studium in Deutschland zu beginnen. Am liebsten würde er eine Karriere als Dolmetscher einschlagen. Wenn Fady aus den vielen Eindrücken seines ersten Karnevals etwas mitnehmen konnte, dann die Feststellung der jungen Trompeter: "Das Leben ist schön."

(RP)
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