Düsseldorf Unterwegs mit dem Kirmes-Fährmann

Düsseldorf · Hajo Schäfer betreibt seit 15 Jahren die Fähre zwischen Altstadt und Festplatz. Er hat einen ganz besonderen Blick auf das Volksfest - und ist nicht unglücklich, dass er den Rest des Jahres im geruhsamen Kaiserswerth verbringt.

 Die Alpina-Bahn ist schon in Sicht: Fährmann Hajo Schäfer bringt mit dem Schiff "Michaela II" die Kirmes-Besucher aus der Altstadt zum Festplatz.

Die Alpina-Bahn ist schon in Sicht: Fährmann Hajo Schäfer bringt mit dem Schiff "Michaela II" die Kirmes-Besucher aus der Altstadt zum Festplatz.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Jedes Kirmes-Jahr ist für Hajo Schäfer ein Abenteuer, und das laufende begann als besonders großes. Als die "Maria-Franziska", das kleinere der beiden Schiffe, am Freitag ihr Nachtquartier im Medienhafen ansteuern wollte, verfing sich eine Matte im Propeller. Taucher mussten helfen, damit das Schiff rechtzeitig wieder fahrtüchtig wurde. Außerdem sorgt der Rhein für Ärger. Er hat viel zu wenig Wasser. Am Sonntag standen Schäfer und Kollegen in Badehose im Fluss und versuchten, Geröll vom Ufer weg zu schüppen.

Jetzt geht es wieder. So halbwegs. Wenn sich die Fähre dem Kirmes-Anleger nähert, hört man immer noch die Steine unter dem Schiffsboden knirschen. Und dann noch die Hitze an den Anfangstagen: Zwei Mal ist schon jemand auf dem Schiff kollabiert, dann kommt der Notarzt, und die Fähre muss eine Zwangspause einlegen.

Aber irgendetwas ist jedes Mal los, wenn für Schäfer, 49 Jahre, das beste Geschäft des Jahres ansteht - und die aufregendste Zeit. Er ist der Kirmes-Fährmann. Die beiden Schiffe seines Familienunternehmens verkehren an den zehn Tagen zwischen Altstadt und Festplatz, rund 50 Mal pro Schiff und Tag. Schäfer, seit 28 Jahren Fährmann, steuert selbst das große, die "Michaela II" - und hat aus der Steuerkabine hoch über den Passagieren einen ganz besonderen Blick auf die Kirmes.

Darum zieht es die Besucher auf die Rheinkirmes
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Darum zieht es die Besucher auf die Rheinkirmes

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Er begleitet das Fest durch den ganzen Tag. Am Morgen transportiert er die Frauen der Schausteller, die noch ein bisschen auf der Kö shoppen gehen, auf dem Rückweg die Kellner auf dem Weg zu einem langen Tag. Wenn die Kirmes am Mittag in Bewegung gerät, kommen die Familien. Die Kinder drücken sich ans Geländer und schauen, wie der Festplatz endlich näherkommt. Irgendwann kehren sie erschöpft zurück, wenn sie Glück hatten mit Stofftier. Zur Feierabendzeit steigen dann die Horden für die Zelte ein.

Aus seiner Kabine sieht Schäfer den ganzen Tag einen endlosen Strom von Menschen. Wenn er ankommt, stehen schon die nächsten Schlange. Ein Ritual wiederholt sich bei jeder Fahrt: Wenn er das laute Hupsignal zur Abfahrt gibt, zucken die Passagiere vor seinem Fenster erschrocken zusammen.

Die Kirmes-Fähre hat es schon einmal bis in die 1930er Jahre gegeben. Rund 60 Jahre später erinnerten sich Schausteller und Schützen an die verlorene Tradition. Sie sprachen Schäfer an, der den Rest des Jahres an einem geruhsameren Stück Rhein arbeitet, zwischen Meerbusch-Langst und Kaiserswerth. Er hat die richtigen Schiffe: Sie haben nur einen Tiefgang von 80 Zentimetern, mit mehr kommt man nicht in Oberkassel ans Ufer. Im Jahr 2000, vor 15 Jahren, ging die Kirmes-Fähre neu in Betrieb. Für die Schäfers war das auch ein Glücksfall, weil das Kerngeschäft vor einem Einbruch stand. Zwei Jahre später eröffnete die A44-Brücke, die Zahl der Passagiere in Kaiserswerth ging deutlich zurück. Schäfer mag keine Brücken.

Die Strecke zur Kirmes hat so ihre Tücken. In Kaiserswerth kennt Schäfer jede Laterne, hier blinken von überall ungewohnte Lichter. Er muss sich konzentrieren, damit er kein Schiff übersieht. Dazu kommt, dass die Passagiere am Abend nicht einfacher werden. Der steigende Alkoholpegel ist zwar gut für die Gastronomie, Kampftrinker schaffen drei Gläser auf der Fahrt. Aber Schäfer mag keinen Stress, privat meidet er die Altstadt. Die Hemmschwelle sei im Laufe der Jahre gefallen, meint er. Wenn die Mitarbeiter einem Passagier sagen, er habe genug getrunken, gibt es manchmal Stress. Dann fliegt gelegentlich vom Ufer noch eine Flasche. Das ganze Jahr Kirmes? Das wäre nichts für ihn.

Was den Fährmann noch wurmt: Manchmal wird die Schlange zu lang. Die "Michaela II" hat 700 Plätze, das andere Schiff aber nur 150. Er kündigt an, im nächsten Jahr endlich mit einem zweiten großen Schiff zu kommen. Schäfer kann aus seiner Kabine sehen, wie viele Menschen immer noch zu Fuß oder mit der Bahn kommen. Über die Brücke. Das schmerzt einen Fährmann.

(RP)
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