Düsseldorf Kurz vor der Sperrstunde ist die Stimmung im Bierzelt am besten

Düsseldorf · Ein Samstagabend auf der Kirmes ist für die Akteure in den Festzelten so anstrengend wie ein Marathon: Gilt es zunächst, das Partyvolk in Schwung zu bringen, muss es um 2 Uhr nachts möglichst schnell zum Gehen überredet werden.

Rheinkirmes 2019 in Düsseldorf: Programm-Highlights der Bierzelte und Festzelte
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Die Highlights der Bierzelte im Überblick

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Claus, Holger und die anderen Musiker von "Der Letzte Schrei" spielen ihren letzten Song für diesen Abend. "Take Me Home, Country Roads" - ein ganzes Bierzelt singt mit. Die Jungs wissen eben, was gut ist, beziehungsweise, was die Masse kurz vor Schluss noch in Schwung hält. Ein Mädchen mit neonpinkem Shirt sitzt auf dem Stehtisch gleich vor der Bühne und schwingt die Arme im Takt der Musik über dem Kopf. Ein Junge mit Sonnenbrille und Hut versucht, es ihr gleichzutun, scheitert aber am Rhythmus. Links an der Zeltwand sind die Teilnehmer eines Junggesellen-Abschieds auf die Tische geklettert, während ein Pärchen mittleren Alters John Denvers Jahrhundert-Hit knutschend ausklingen lässt.

Es ist 1.55 Uhr und das Ende eines langen Partyabends im Schlösser-Zelt auf der Rheinkirmes. Doch die letzte Hürde vor dem Feierabend steht den Verantwortlichen im Bierzelt noch bevor: Jetzt gilt es, die verbliebenen Gäste so schnell wie möglich zum Gehen zu bewegen.

 Fünfeinhalb Stunden dauert das Programm der Band "Der Letzte Schrei" mit Leadsänger Claus. Die Band ist seit 23 Jahren jedes Jahr im Bühnenprogramm des Bierzeltes der Brauerei Schlösser auf der Kirmes vertreten.

Fünfeinhalb Stunden dauert das Programm der Band "Der Letzte Schrei" mit Leadsänger Claus. Die Band ist seit 23 Jahren jedes Jahr im Bühnenprogramm des Bierzeltes der Brauerei Schlösser auf der Kirmes vertreten.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Seit fünfeinhalb Stunden stehen die Musiker inzwischen auf der Bühne, nur kurz haben sie zwischendurch Pausen gemacht - ein Marathonlauf für die Künstler, oder sogar schlimmer, zitieren sie ihren Musikerkollegen Guildo Horn, der zum Kirmesauftakt das Schlösser-Zelt füllte. Seit 23 Jahren ist "Der Letzte Schrei" schon beim Bühnenprogramm der Brauerei dabei, gehört quasi zum Inventar des Kirmeszelts. An einem Abend spielt die Band bis zu 30 Nummern, in der Reihenfolge genau so sortiert, dass sie zur jeweiligen Stimmung im Zelt passen. Gilt es zu Anfang, das Publikum aufzutauen, wird die Playlist später zum Selbstläufer, vor allem, sobald es dunkel werde, erklärt Gitarrist Holger. Warum das aber so sei, könne er sich nicht erklären, das sei eben seine Erfahrung aus mehr als 20 Jahren auf der Bühne.

Und kurz vor der Sperrstunde ist die Stimmung dann am besten. "Der Letzte Schrei" spielt deshalb um diese Zeit fast nur noch Lieder, die man auch mit hohem Alkoholpegel noch mitgrölen kann. Dschinghis Khans "Moskau" ist so eins. In sämtlichen Tonlagen stimmen die Gäste ein und hüpfen dabei quer durch das Bierzelt. Das beginnt so sehr zu wackeln, dass Flaschen und Gläser von den Tischen fallen und zersplittern. "Der Letzte Schrei" hat zu diesem Zeitpunkt zwei neue Mitglieder dazugewonnen: das Mädchen mit dem pinken Shirt und den Jungen mit der Sonnenbrille, die auf den Stehtischen mittanzen und -performen. "Ihr seid mitten im Bühnenprogramm, setzt euch wieder hin", sagt Claus, dann beschränken sich die beiden darauf, im Sitzen weiterzumachen.

 Ab 2 Uhr gibt es kein Bier mehr für die Gäste - dann ist Sperrstunde, und die Zelte müssen geräumt werden.

Ab 2 Uhr gibt es kein Bier mehr für die Gäste - dann ist Sperrstunde, und die Zelte müssen geräumt werden.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Weiter hinten geschieht gerade ein Beinahe-Unglück: Ein Mitglied des Junggesellen-Abschieds hat das letzte Tablett mit Bier geholt, im Gegensatz zu den Kellnern im Zelt ist er es aber nicht gewohnt mit 20 Biergläsern im Slalom um betrunkene Partygäste zu laufen. Und im Gegensatz zu den Kellnern ist er auch nicht mehr nüchtern. In gefährlicher Schieflage passiert er deshalb ein tanzendes Mädchen und stolpert - fast. Die junge Frau kriegt nur einen Tropfen übergeschwapptes Bier ab. Sie merkt es nicht einmal.

 Ein paar Bierdeckel und Stehtische sind alles, was von dem Partyabend im Füchschen-Zelt bleibt.

Ein paar Bierdeckel und Stehtische sind alles, was von dem Partyabend im Füchschen-Zelt bleibt.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Um Punkt 2 Uhr gehen dann die Lichter an, die Musik geht aus. Die Bandmitglieder sind erleichtert: "Ist super gelaufen heute", sagt Claus zufrieden. Die Security beginnt derweil damit, das Zelt zu räumen, keiner kommt jetzt mehr hinein, auch nicht, wer nur auf eine Zigarette draußen war. Und wer zu lange im Zelt ausharrt, wird sanft Richtung Ausgang geschoben.

Das geschieht gleichzeitig in allen Bierzelten auf dem Festplatz. Zum Schutz der Anwohner rund um die Kirmes muss es ab 2 Uhr ruhig werden. Im wohl größten Zelt der Kirmes, dem der Brauerei "Im Füchschen", kommt der Rausschmiss mit Ansage. Statt Musik dröhnt aus den Lautsprechern der Hinweis des Sicherheitschefs, sich langsam Richtung Ausgang zu bewegen. Nicht alle wollen sofort gehen, ein junges Paar, das sich an diesem Abend erst kennengelernt hat, würde am liebsten noch weiter Altbier trinken und Musik hören. Die Sicherheitsleute haben sich jedoch zu einer Kette formiert und schieben langsam Richtung Ausgang. "Kriegen wir nirgendwo mehr ein Bier?", fragt ein anderer Besucher mit entsetztem Blick. Leider nein.

Und fast wäre der Abend dann auch friedlich gelaufen, wenn da nicht die beiden Gruppen wären, die sich auf dem Platz mit Fäusten darüber streiten, ob Düsseldorf nun eine coole oder keine coole Stadt ist. Eine Antwort gibt es nicht, die Polizei löst den Streit auf. Einer der Streithähne wird vom Zelt in eine Zelle gebracht, da darf er übernachten. In den Zelten dagegen herrscht zu dieser Zeit schon Ruhe - bis zum nächsten Tag.

(lai)
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