Margit Ramus Schaustellerin hat ihren Doktor in Kunstgeschichte

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Kirmes ist immer etwas ganz Besonderes. Das weiß Margit Ramus schon seit drei Jahrzehnten. So ganz direkt sagen mag sie es nicht, frei interpretiert kann man sie so übersetzen: Die Düsseldorfer sind auf jeden Fall schicker angezogen als die Kölner oder die Besucher der Cranger Kirmes.

Die Düsseldorfer Kirmes im Regen
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Foto: ila

Die Düsseldorfer Kirmes ist immer etwas ganz Besonderes. Das weiß Margit Ramus schon seit drei Jahrzehnten. So ganz direkt sagen mag sie es nicht, frei interpretiert kann man sie so übersetzen: Die Düsseldorfer sind auf jeden Fall schicker angezogen als die Kölner oder die Besucher der Cranger Kirmes.

"In Düsseldorf legt man sich schon mal ein Kettchen um, wenn man auf die Kirmes geht, oder nimmt die teurere Uhr." Die 62-jährige Schaustellerin aber fühlt sich auf jedem Kirmesplatz wohl und steht auf allen großen Jahr- und Weihnachtsmärkten. In Düsseldorf baut sie wieder die "süße Lokomotive" auf, an der sie und ihr Team Mandeln oder Lebkuchenherzen verkaufen.

Ramus ist eine der 312 Schausteller auf den Rheinwiesen - und ragt doch aus allen ein bisschen heraus. Sie hat erst im "hohen Alter" von Mitte 40 Abitur nachgemacht, anschließend Kunstgeschichte studiert und promoviert ("Schreiben Sie bloß nicht Dr. Kirmes") und hat vor einigen Monaten ihr erstes Buch veröffentlicht.

Das Thema: die Kirmes. Im Besonderen hat sie sich den Volksfesten unter dem Aspekt Architektur und Dekoraton im Schaustellergewerbe gewidmet. Auf 752 Seiten mit 1300 Abbildungen hat die Schaustellerin die Kirmes kunsthistorisch analysiert. Das Buch kostet stolze 98 Euro - und sie verspricht, es an ihrer "süßen Lokomotive" auszulegen oder mit Interessenten darüber zu reden. Der Verkaufsstand steht auf der Rheinseite der Kirmes.

Margit Ramus hat alles parat aus ihrem Buch: Dass es bei den Buden und Fahrgeschäften genau so Stilepochen gibt wie in der Kunst und klassischen Architektur. "Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden alle Fahrgeschäfte mit neubarocken Dekorationselementen gestaltet. Ab 1945 begann in der Dekoration die Moderne mit viel abstrakter Malerei." In den 60er Jahre habe Salvador Dali Pate für die Karussell-Motive gestanden, in den 70er Jahren wurden Flower-Power-Motive auf die Fahrgeschäfte gemalt, und in den 80er Jahren Pop-Art, Comic und Street-Art. Auch das lasse sich bei einem Blick auf die zahlreichen Düsseldorfer Fahrgeschäfte und Stände gut erkennen. Durch ihre intensive Recherche-Arbeit in Archiven oder privat bei ihren Kollegen Schaustellern hat sie etliche Fahrgeschäfte vor dem Vergessen gerettet. Ramus listet auch die Geschichte des Karussellbaus in Deutschland seit 1883 auf und hat viele Fahrgeschäfte, die beispielsweise im Krieg zerstört oder verschrottet wurden, in einem Katalogteil aufgelistet.

Im Gespräch mit der Schaustellerin wird schnell klar, dass die Kirmes ihre Leidenschaft ist. Wie gut, dass ihre Tochter Yvonne in die Firma eingestiegen ist und selbst Enkeltochter Vivien vom Jahrmarkt-Virus schon infiziert wurde. Und da ist dann auch wieder die Beziehung zwischen Köln und Düsseldorf. Sie wohnt in Porz, aber Tochter Yvonne mit ihrer Familie in Düsseldorf.

Dass es ein Schicksal-Schlag war, der ihrem Leben eine Wendung gab, verschweigt die 62-Jährige nicht. Sohn Peter starb unter tragischen Umständen im Jahr 1991. Sie besuchte eine Schreibschule, um als Trauerarbeit über Peter zu schreiben und über den Verlust hinwegzukommen. Und so kam eins zum anderen: Die damals 44-jährige entschied sich, das Abitur nachzuholen. Für sie war die Schule vorbei gewesen, als sie 15 Jahre alt war und im elterlichen Betrieb mitarbeiten musste. Nach dem Abi dann das Studium, das sie mit "summa cum laude" abschloss. Schon ihre Magisterarbeit vor zehn Jahren beschäftigte sich mit der Kirmes. Weil so viel Recherche-Material dabei entstand, ermunterte sie die Kunsthistorikerin und Professorin Hiltrud Kier, daraus ein Buch zu schreiben. Anke Kronemeyer

(RP)
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