Düsseldorf Kitastreik: Eltern reißt der Geduldsfaden

Düsseldorf · Die dritte Woche ohne geregelte Betreuung stellt Mütter und Väter vor immer größere Herausforderungen. Großeltern wollen verreisen, Überstunden sind abgebaut, Kinder fremdeln mit Notgruppen. Die Stimmung ist angespannt.

 Betreuen in der Bilker Spieloase ihre Kinder selbst (v. l.): Irene Kemper mit Stella, Perihan Dogan mit Ronia und Robin sowie Safiye Keser mit Emre.

Betreuen in der Bilker Spieloase ihre Kinder selbst (v. l.): Irene Kemper mit Stella, Perihan Dogan mit Ronia und Robin sowie Safiye Keser mit Emre.

Foto: Bernd Schaller / Hans-Jürgen Bauer

Die in den ersten beiden Streikwochen bei vielen Familien spürbare Solidarität mit den im Ausstand befindlichen Erzieherinnen in den städtischen Kindertageseinrichtungen bröckelt. "Ich finde es unerhört, wie mit den betroffenen Familien umgegangen wird", sagt Anne Kalkuhl. Ihr Sohn Johan (4) besucht die Kita an der Sternstraße in Pempelfort. Normalerweise. Denn die Einrichtung bleibt seit Streikbeginn an den meisten Tagen dicht. "Eine Information am Vorabend oder aber im Internet am frühen Morgen gibt es nicht. Wir müssen täglich hierherkommen, um zu erfahren, ob es einen Notbetrieb gibt oder eben nicht", sagt die Düsseldorferin, die bei einem Telekommunikationsunternehmen arbeitet. Die Erklärungen und Lösungsangebote der Stadt empfindet sie als dürftig. Ihre Frust-Gleichung lautet: "Null Transparenz, null Kommunikation, null Geduld mehr." Dabei hat Kalkuhl noch Glück im Unglück. Ihre Schwiegereltern Hiltrud und Friedhelm Slomke aus Essen springen in dieser Woche ein.

Doch längst nicht jedes Paar hat Eltern, die in der Region leben. So wie Tina Liedmann. Die 39-Jährige arbeitet in einer Anwaltskanzlei, ihr Mann in der IT-Branche. Zwei Tage in der Woche bleibt sie jetzt zu Hause und an den anderen drei Tagen teilt sie sich die Betreuung von Tochter Inga (knapp 4) mit ihrem Mann. "Home-Office ist in unserem Fall keine Option. Jeder von uns geht dann eben einen halben Tag arbeiten." Notgruppen hat sie bislang nicht in Anspruch genommen. "Jedes Kind ist anders und Inga reagiert sensibel." Wie lange beide Arbeitgeber noch mitspielen, weiß Liedmann nicht. "Kein Unternehmer will so etwas bis zu den Sommerferien mitmachen", sagt sie.

 Beklagen mangelnde Transparenz (v.l.): Anne Kalkuhl mit Johan (vorne), Eva Schnorr mit Ava und Milla (vorne), Kerstin Rapp-Schwan mit Janne, Nicole Schmitz mit Jacob und Tina Liedmann mit Inga.

Beklagen mangelnde Transparenz (v.l.): Anne Kalkuhl mit Johan (vorne), Eva Schnorr mit Ava und Milla (vorne), Kerstin Rapp-Schwan mit Janne, Nicole Schmitz mit Jacob und Tina Liedmann mit Inga.

Foto: Schaller,Bernd (bs)

Frustriert vom Streik und seinen nur schwer berechenbaren Folgen ist auch Safiye Keser. Gemeinsam mit anderen Müttern aus der Fröschegruppe der Kita an der Brinckmannstraße hat sie beim Verein Spielen und Leben in Bilk Räume für den Montag-, Dienstag- und Freitagvormittag gemietet. "Die Eltern wechseln sich bei der Betreuung ab, je nachdem, wer gerade Zeit hat", sagt die 42-Jährige. Einen Euro pro Tag und Kind kostet das vorerst auf die eigene Gruppe beschränkte Angebot. Doch das ist es Keser und ihren Mitstreiterinnen wert. "Manche Kinder, die in Notgruppen oder andere Kitas müssen, haben Bauchschmerzen oder machen in die Hose. Andere sind in Tränen aufgelöst, wenn man sie morgens dort abgeben will. Für die Psyche der Kinder ist der Streik eine echte Zumutung", meint die engagierte Mutter.

Genauso sieht es Kerstin Rapp-Schwan, deren Tochter Janne (3) auch die Kita an der Sternstraße besucht. "Drei von fünf Betreuern, die ich kenne, sind gar nicht organisiert. Warum gibt es hier nur so wenige Tage mit Notbetrieb?", fragt sie. Ihr Vorschlag: Die Stadt soll den Müttern Räume in den Kitas überlassen, damit sie dort ähnliche Modelle mit Eigenbetreuung wie in der Bilker Spieloase umsetzen können.

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Dass die Nerven der Eltern inzwischen blank liegen, weiß Jugendamtsleiter Johannes Horn. "Ich bin nicht Herr des Verfahrens und weiß selbst bis zum Morgen nicht, wer streikt", sagt er. Tatsächlich sei die Stimmung "sehr nervös", auch die Mails an sein Amt würden "im Ton aggressiver". Horn setzt im Umgang mit den Eltern auf Ehrlichkeit. "Ich kann kein Ersatz-Angebot für 6600 Plätze machen."

(RP)
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