Düsseldorf Kleine rote Räder aus Reisholz

Düsseldorf · Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten bei den Werkstätten für angepasste Arbeit miteinander und bauen beispielsweise Laufräder.

 Andrea Wersdörfer, Aleksandar Gaspar (l.) und Ingo Jensen bei der Montage eines Kinderrads.

Andrea Wersdörfer, Aleksandar Gaspar (l.) und Ingo Jensen bei der Montage eines Kinderrads.

Foto: Günter von Ameln

Es ist eine Minute vor halb vier und auf den Fluren scharren alle mit den Schuhen. Frauen und Männer wickeln sich in dicke Jacken, zupfen den Schal zurecht und den Rucksack auf die Schultern. Es klingelt, Punkt halb vier, es geht los. Wer jetzt noch auf den Treppen steht, muss sich sputen. So plötzlich gehen die Mitarbeiter der Werkstätten für angepasste Arbeit an der Marienburger Straße 24 in Reisholz nach Hause. Es ist Feierabend.

Vor dem ausladenden Gebäude warten kleinere Busse; durch die Windschutzscheiben kann man die Namen der Zielorte lesen. Nacheinander quetschen sich die Arbeiter in die roten Minibusse. Ein Mann lacht laut auf, seine Kollegin hat ihm die Tür vor der Nase zugemacht. Auf der Straße achten Verkehrskadetten darauf, dass alle sorglos über die Straße gehen können.

Eine Stunde zuvor. Aleksandar Gaspar ist ein höflicher Mensch. Er begrüßt seine Gäste mit Handschlag, steht auf und lässt sich bereitwillig fotografieren. Dafür lässt er auch die Arbeit an dem gelben Reifen kurz ruhen. Zusammen mit Andrea Wersdörfer, Ingo Jensen und ein paar anderen arbeitet Aleksandar Gaspar gerade an dem Laufrad der Wülfrather Firma "Puky". Jetzt, so kurz vor Weihnachten, setzen sie hier im Akkord rote Kinderräder zusammen. Erst kommt das Gummi auf den Reifen, dann der Reifen an den Rahmen, ein paar Aufkleber drauf, der Lenker, fertig. Aus Reisholz verschicken die Werkstätten die Räder in die ganze Republik.

Es ist nicht leicht, das Leistungsspektrum der Werkstätten zu durchschauen. Und es dauert. Andrea Schmidt, die sich im Hauptsitz in Reisholz um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert, sagt, eine halbe Stunde brauche es schon für einen Überblick. Acht Betriebsstätten von Angermund bis Reisholz, 1800 Mitarbeiter, davon 1500 Menschen mit Behinderung, in Küche, Garten- und Landschaftsbau, Montage, Wäscherei, Datenverarbeitung und Versand. Sie sind eine gGmbH, eine gemeinnützige Gesellschaft. Sie bieten Menschen einen Arbeitsplatz, die wegen ihrer Behinderung sonst nur geringe Chancen haben.

Und sie haben ihren Namen, weil sie die Arbeit an den Menschen anpassen. Wer nur noch auf einen roten Knopf drücken kann, der drückt auf einen roten Knopf. Wer den Aufkleber aufs Laufrad heften kann, der macht das. Und wer das Gummi auf den Reifen bekommt, der ist dafür verantwortlich. Die Arbeit wird aufgeteilt. So kommt jeder mit. Jeder wird gebraucht für das Gesamtwerk. Kein Laufrad ohne Knopfdruck, ohne Gummi, ohne Aufkleber. Das Team baut das Rad.

Unternehmen müssen je nach Größe einen Anteil an Schwerbehinderten beschäftigen, sonst zahlen sie eine Art Strafe. Wer aber Aufträge an die Werkstätten für angepasste Arbeit erteilt, der spart sich die Hälfte des Geldes. Etliche Firmen haben Aufträge erteilt, bei vielen städtischen werden die Werkstätten bevorzugt berücksichtigt. So kochen sie in Kantinen, pflegen Klinikgärten oder sortieren Post.

So wie Aleksandar Gaspar, Ingo Jensen und Andrea Wersdörfer ihr Laufrad zusammensetzen. Und pünktlich um halb vier Feierabend machen. Lachend gehen sie hinaus. Gaspar beeilt sich, seine S-Bahn kommt gleich. Zur Sicherheit trägt er eine gelbe Warnweste.

(RP)
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