Interview Gregor Bonin "Kö-Bogen II nur mit begrünter Fassade"

Düsseldorf · Als Beigeordneter für Stadtplanung und Bauen verantwortete er Groß-Projekte wie den Kö-Bogen. Jetzt wechselt er nach Mönchengladbach.

 Bonin: "Wird die geplante Hecken-Begrünung nur eine Stiefmütterchenwiese, wird das kein Ingenhoven-Tal, sondern eine Ingenhoven-Erosion."

Bonin: "Wird die geplante Hecken-Begrünung nur eine Stiefmütterchenwiese, wird das kein Ingenhoven-Tal, sondern eine Ingenhoven-Erosion."

Foto: A. Bretz

Die Bilder aus eigener Hand sind abgehängt, auch die Steine aus Urlauben liegen nicht mehr auf dem stets aufgeräumten Schreibtisch. Es sind die letzten Tage von Gregor Bonin in Düsseldorf. Er wechselt in einer Woche ins Mönchengladbacher Rathaus. Dort wird er Technischer Beigeordneter und Geschäftsführer der städtischen Entwicklungsgesellschaft EWMG. 22 Jahre hatte er bei der Stadt Düsseldorf gearbeitet, im Planungsamt im Büro des früheren Oberbürgermeisters Joachim Erwin (CDU) als Fachreferent, bevor er 2006 Beigeordneter wurde.

Herr Bonin, Düsseldorf verändert an manchen Stellen komplett das Gesicht. Sie waren fast zehn Jahre lang der verantwortliche Beigeordnete für Stadtplanung. Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Bonin Es ist schwer, da ein Projekt herauszustellen. Selbstverständlich muss ich den Kö-Bogen nennen, es ist die nachhaltige Stärkung der Innenstadt. Aber auch GAP 15, Hafenentwicklung, Güterbahnhof Derendorf, Airport City - das ist alles unter meiner Verantwortung entstanden. Die Umwandlung des Rheinmetallgeländes in Derendorf habe ich als Mitarbeiter im Planungsamt in den Anfängen begleitet, jetzt, nach 20 Jahren, ist daraus die moderne Unternehmerstadt geworden. Oder der zweite Grüne Ring von Derendorf bis an den Rhein. Und natürlich das Stadtentwicklungskonzept als wichtigstes Projekt des Dezernats, bei dem eine Leitlinie festgelegt und auf sämtliche Aufgaben der Dezernate operativ runtergebrochen wurde ...

...und bei dem es um Fragen wie Demografie oder Sozialräume geht ...

Bonin Genau. Da kann man tatsächlich stolz sein, was man gemeinsam mit den Mitarbeitern erreicht hat. Und nicht zu vergessen meine Verantwortung als Baudezernent. In meiner Zeit wurden 100 Bebauungspläne gemacht, 50 Gutachterverfahren durchgeführt, 700 Millionen Euro verbaut - und es gab nur einen Mehrkostenbeschluss.

In der Ausschreibung für Ihren Nachfolger spielt Wohnen eine tragende Rolle. Das Thema ist auch Oberbürgermeister Thomas Geisel wichtig. Wurde da etwas verpasst?

Bonin Schon bei meinem Amtsantritt 2006 hatte ich für eine Mischung aus preiswertem und gehobenem Wohnungsbau plädiert. Im Handlungskonzept Wohnen, das in meinem Dezernat entwickelt und von CDU, Grünen und FDP vor mehr als zwei Jahren auf den Weg gebracht worden ist, spiegelt sich das wider. Man hätte vielleicht ein Jahr früher damit anfangen müssen. Aber es gilt ja auch, eine breite politische Mehrheit zu überzeugen.

Hat die Politik, bis 2014 eine schwarz-gelbe Mehrheit, zu lange die Augen davor verschlossen, dass es zu wenig preiswerten Wohnraum gibt?

Kö-Bogen II: Entwurf von Ingenhoven
5 Bilder

Kö-Bogen II: Entwurf von Ingenhoven

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Bonin Mit dem Stadtentwicklungskonzept und dem Handlungskonzept Wohnen sind die methodisch und inhaltlich richtigen Schritte initiiert worden. Die Umsetzung dauert ihre Zeit.

Haben Sie Sorge, dass beim Wohnungsbau jetzt zu viel auf Masse gesetzt wird?

Bonin Wir brauchen Wohnungsbau. Es ist aber eine Ausgewogenheit zwischen Qualität und Quantität wichtig. Ohne interkommunale Zusammenarbeit, also Wohnbau auch in der Region, wird das nicht gehen. In Düsseldorf allein reichen die Flächen nicht.

Auf dem Areal der Bergischen Kaserne sind 3000 Wohneinheiten geplant.

Bauboom rund um den Kö-Bogen in Düsseldorf
13 Bilder

Bauboom rund um den Kö-Bogen in Düsseldorf

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Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Bonin Wo sollen die gebaut werden? Auf das Kasernengelände in seinem bebauten Bereich passen maximal 500 bis 800 Wohneinheiten. Wenn man mehr will, muss man das über das Areal hinaus ausdehnen. Das muss man wollen. Mir wäre es zu kaufmännisch, nur Zahlen umzusetzen.

War das ein Grund für Ihre Differenzen mit der neuen Stadtspitze?

Bonin Es gibt sicherlich unterschiedliche Meinungen zu dem methodischen und inhaltlichen Ansatz von Stadtplanung. Ich finde, dass man kreative Köpfe auch zulassen muss und Dinge nicht nur abfragen darf. Nur Erfüllungsgehilfe zu sein, ist mir zu wenig.

Hat es Sie enttäuscht, dass Ihnen die Liegenschaften weggenommen und dem OB-Büro angegliedert wurden?

Bonin Solche Bewegungen hat es schon immer gegeben, ist deshalb nicht bedenklich. Bemerkenswert war, dass ich es nur über das Büro des OB erfahren habe. Es hat keine Abstimmung gegeben.

Rot-Grün hatte schon in der Opposition Probleme mit Ihnen. Zu Recht?

Bonin Ich habe eine klare Haltung zu bestimmten Dingen und glaube, dass es legitim ist, aufgrund fachlicher Erkenntnisse eine Meinung deutlich zu formulieren. Wenn das nicht erwünscht ist, braucht man auch keinen Planungsdezernenten. Eine Diskussion um das beste Ergebnis muss geführt werden, daraus sollte kein Feindbild entstehen - ansonsten muss ein Beigeordneter das aushalten können.

Sie wurden 2014 für acht Jahre wiedergewählt, es gab keinen Anlass für einen Wechsel. Wann haben Sie sich dazu entschlossen?

Bonin Ich habe mir die Frage nach der Perspektive gestellt. Was mache ich an dem Standort, an dem ich bin, und wo will ich hin? Dadurch bin ich zu einer Entscheidung gekommen.

Sie leben mit Ihrer Familie seit vielen Jahren in Mönchengladbach. Wie wirkt jemand in einer gefühlten Heimatstadt?

Bonin Ich habe immer Wert darauf gelegt, alle zur Stadtentwicklung notwendigen Aufgaben in einem Dezernat zu bündeln. Auch Architektur ist nach meiner Überzeugung ein kommunaler Standortfaktor. Als technischer Beigeordneter, der gleichzeitig Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft EWMG der Stadt Mönchengladbach ist, kann ich das besser verwirklichen. Natürlich haben die Projekte eine andere Flughöhe als in Düsseldorf, der Gestaltungsspielraum ist aber größer.

Ist Stadtplanung immer auch ein wenig Wahrsagerei? Schließlich weiß man nicht, wie der Bedarf in einigen Jahren sein wird.

Bonin Stadtplanung ist immer eine Angebotsplanung. Als ich in Düsseldorf angefangen habe, gab es eine andere Gesellschaft, ein anderes Denken. Der Planungsdezernent muss die Leitplanken stecken, in denen wir uns bewegen. Darin müssen sich Stadtverwaltung und Politik dynamisch zeigen - das ist wesentliche Aufgabe der Stadtplanung.

Wo hat sich Düsseldorf am tollsten entwickelt?

Bonin Am Flughafen mit Airport City, auf dem Rheinmetallgelände mit dem Anschluss an den Derendorfer Güterbahnhof. Der Kö-Bogen ist auch absolut vorzeigbar.

Teil 2 mit der geplanten Randbebauung des Gründgens-Platzes nach einem Entwurf von Christoph Ingenhoven ebenfalls?

Bonin Ich halte den Ansatz für richtig. Wir wollten mehr Sicht auf das Schauspielhaus als in dem vorherigen Entwurf haben, das hat Ingenhoven mit seinem Tal geschafft. Es kann super werden. Wird aber die geplante Hecken-Begrünung nur eine Stiefmütterchenwiese, wird das kein Ingenhoven-Tal, sondern eine Ingenhoven-Erosion.

Bei den Libeskind-Bauten hat es schon nicht richtig mit der Begrünung funktioniert. Warum soll das bei Kö-Bogen II besser funktionieren?

Bonin Wenn die Begrünung am geplanten Gebäuderiegel an der Schadowstraße nicht klappt, sollte man über das gesamte Projekt neu nachdenken. Dann muss es weniger Masse haben. Ansonsten wäre es eine reine Pfosten-Riegel-Architektur. So etwas darf nicht in der Reihung mit den Denkmälern Dreischeibenhaus und Schauspielhaus stehen.

Worauf kommt es bei der Stadtplanung in Düsseldorf in den nächsten Jahren an?

Bonin Die Verlängerung der Rheinuferpromenade sollte umgesetzt werden. Grün ist wichtig. Auch sollten unterschiedliche Nutzungen in der Stadt gemischt werden, also Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkaufen. Das heißt auch, die städtebauliche Entwicklung in den Stadtteilen fortsetzen.

Brauchen wir weitere Super-Architektur?

Bonin Es geht nicht um das Jagen nach Namen, sondern um Qualität. Nicht jeder große Name garantiert auch gute Architektur. Das Bewusstsein für Architektur ist wie das für Kunst. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, nur eine Summe beim Wohnungsbau zu erfüllen.

Wie viel Düsseldorf nehmen Sie mit nach Mönchengladbach?

Bonin Ein ganzes Herz voll. Ich werde das Methodische und den Qualitätsanspruch an Architektur mitnehmen.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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