Interview zum Thema Fahrradfahren in Düsseldorf Königsweg für mehr Radler nicht in Sicht

Düsseldorf · Der eine ist Vertreter der Fahrrad-Lobby (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub), der andere Fahrradbeauftragter der Stadt - in einigen Punkten sind sie sich überraschend einig. Ihre Ansätze für das Fördern von Radverkehr sind jedoch unterschiedlich.

 Rüdiger Heumann vom ADFC (l. Fahrrad Marke Patria Terra) und der Fahrradbeauftragte der Stadt Düsseldorf, Steffen Geibhardt (Marke Fahrrad-Manufaktur T 700).

Rüdiger Heumann vom ADFC (l. Fahrrad Marke Patria Terra) und der Fahrradbeauftragte der Stadt Düsseldorf, Steffen Geibhardt (Marke Fahrrad-Manufaktur T 700).

Foto: Endermann

Sie sind beide im Alltag mit dem Rad unterwegs. Worüber haben Sie sich als Radfahrer in Düsseldorf das letzte Mal geärgert?

Geibhardt Über die Unverschämtheit mancher Verkehrsteilnehmer. Ich verstehe ja, dass man manchmal etwas ausladen muss. Aber muss man dafür mitten auf dem Radweg stehen?
Heumann Ich habe mich heute Morgen über die Baustelle auf der Kettwiger Straße geärgert. Für Lkw ist alles gut ausgeschildert, Radfahrer werden kryptisch ins Nichts geleitet.
Geibhardt Aber Sie können sich doch einfach auf die Fahrbahn einfädeln.
Heumann Ich habe damit kein Problem, das ist aber keine Lösung für Kinder oder ältere Menschen. Die sind damit überfordert.

Vergisst die Stadt bei der Einrichtung von Baustellen die Radfahrer?

Geibhardt Nein. Eine Zeit lang wurde das ignoriert, das hat sich aber in den vergangenen Jahren geändert. Von der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte, der Düsseldorf angehört, gibt es dazu eine Ausarbeitung. Es ist aber oft schwer, das räumlich umzusetzen. Hinzu kommt, dass viele Radfahrer einer Umleitung nicht folgen würden.
Heumann Tante Käthe aber schon ...
Geibhardt Wir haben aber das grundsätzliche Problem, dass es bei Radfahrern unterschiedliche Interessen gibt. Die einen wollen schnell fahren und das am liebsten auf der Fahrbahn. Andere fühlen sich bei einem Radweg auf dem Bürgersteig sicherer.

Kann man denn nicht bei Baustellen einfach das Tempo für Autos reduzieren, damit nicht so versierte Radfahrer sich sicherer fühlen?

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Foto: Stadt Düsseldorf

Geibhardt Da ist die Frage, wem man den Vorrang gibt: 5000 Autofahrern oder 50 Radfahrern? Wir müssen eine Verkehrsplanung für alle machen.
Heumann In der Straßenverkehrsordnung steht aber, dass Verkehrssicherheit vor Verkehrsfluss geht. Insofern wäre eine Tempobegrenzung schon okay.

Wenn man Alltagsradfahrer fragt, dann beklagen sie unisono, dass es besonders Autofahrern am Bewusstsein fürs Miteinander fehlt. Helfen drastische Maßnahmen beim Umdenken?

Geibhardt Ich habe in all den Jahren die Erfahrung gemacht, dass man viel Geduld braucht, um in weiten Bevölkerungsteilen die Meinung zu ändern. Vor 15 Jahren sorgte die Idee, Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrer zu öffnen, für Empörung. Heute ist das selbstverständlich.

Sehen Sie das auch so?

Heumann Ja. Wir leben in einer Demokratie, da muss man Mehrheiten gewinnen. Für den langen Weg in eine velo-mobile Gesellschaft muss man möglichst viele Menschen erreichen.

Hilft es, dass immer mehr Menschen Radfahren?

Geibhardt Auf alle Fälle. Damit es noch mehr werden, darf man nicht ständig betonen, wie gefährlich Radfahren in Düsseldorf ist, sondern muss motivieren, es doch mal zu versuchen. Unser Ziel ist mehr Radverkehr, aber der soll sicher sein.
Heumann Richtig. Es gibt aber eine gewisse berechtigte Erwartungshaltung an die Radwege. Wenn der Radfahreranteil bei 25 Prozent liegt, dann wird sich das Thema ein Stück weit erledigt haben, weil die Straßen voll mit Radfahrern sein werden.

Auch bei den Verhandlungen für ein "Ampel"-Bündnis ist der Radfahrer-Anteil von 25 Prozent Thema. Ist das denn realistisch?

Heumann Das hätte Düsseldorf längst als Ziel definieren müssen.
Geibhardt Wir haben 16 Prozent gesetzt, das ist vertretbar und realistisch.

Und wenn es doch 25 Prozent werden?

Geibhardt Dann sind wir gewappnet. Für diesen Fall haben wir das Hauptradwegenetz. HEUMANN Falsch gedacht. Als in den 1960er und 1970er Jahren die großen Autobahnen gebaut wurden, war das angebotsorientierte Politik. Man wollte einen Autoboom auslösen. Warum handelt man nicht ebenso, um mehr Menschen aufs Rad zu bringen?

Auch wenn die Situation noch nicht optimal ist, hat sich doch einiges getan in Düsseldorf ...

Heumann Das stimmt. Seit dem Amtsantritt von Herrn Keller weht ein anderer Wind. Dass ein Verkehrsdezernent selbst Radfahrer ist, hat zu einem Perspektivwechsel geführt. Eine restriktive Regelung, auf Hauptverkehrsstraßen prinzipiell keine Radwege anzulegen, wie vor ein paar Jahren von der schwarz-gelben Ratsmehrheit beschlossen, wäre heute nicht mehr denkbar.
Geibhardt Das würde auch keine Mehrheit kriegen, denn die Stimmung ist grundlegend positiv. Und im Übrigen haben wir trotz dieses Beschlusses Radwege auf Haupttrassen wie der Kölner oder Bochumer Straße angelegt.

Warum gibt es dennoch so viel Kritik am Radnetz?

Geibhardt Wir müssen das subjektive Gefühl der Unsicherheit beseitigen. Das haben viele Leute, die neu anfangen, das Fahrrad im Alltag zu nutzen. Auf der Bonner Straße beispielsweise gibt es einen tollen Radweg. Die Menschen fahren trotzdem auf dem Bürgersteig und ich kann es mir nicht erklären. Wir haben Faltpläne mit sicheren Radrouten, Apps, Programme für Navigationsgeräte. Und dennoch ...
Heumann Die meisten Menschen kommen ja aus der Perspektive des Autofahrers, wenn sie sich aufs Rad setzen. Ihren gewohnten Weg mit dem Auto wollen sie nicht radeln, denn da gibt es keinen Radweg. Die oftmals längeren Schleichwege kennen oder wollen sie nicht.

Kommen wir doch zu konkreten Ärgernissen. Zum Beispiel fehlende Anschlüsse - zum Beispiel von der Dorotheenstraße, wo es einen Radweg gibt, zur Lindemannstraße, wo es plötzlich keinen gibt ...

Geibhardt Auf der Lindemannstraße ist räumlich kein Radweg möglich.
Heumann Da muss die Stadt bereit sein, für mehr Sicherheit mal eine Fahrspur wegzunehmen.

Geibhardt Aber das bedeutet doch Staus, Abgase, das kann doch nicht der Sinn sein! Es gibt eine Alternativroute, die auch gut ausgeschildert ist. Wer unbedingt auf der Lindemannstraße fahren will, kann das ja machen.

Was ist denn nötig?

Heumann Wir brauchen dringend ein durchgängiges Netz, es gibt noch immer Lücken, die auch nach Jahren nicht geschlossen sind.
Geibhardt Deshalb legen wir im September der Politik das Hauptradwegenetz vor. Das soll mit breiter Bürgerbeteiligung diskutiert werden.

Auf der Wunschliste von Radfahrern stehen auch gesicherte Abstellmöglichkeiten ...

Heumann Fahrradabstellanlagen haben den gleichen Stellenwert wie Radwege.
Geibhardt Die werden auch zahlreich geschaffen, wir können aber - genau wie bei den Autos - die Anforderungen im öffentlichen Straßenraum nicht lösen. Das Ziel muss deshalb sein, dass Bauherren bei Neubauvorhaben ausreichend und attraktive Stellplätze für Anwohner, Angestellte, Besucher und Kunden einplanen.
Heumann Das ist der richtige Ansatz und sollte für alle Neubauten gelten. Aber was ist mit Altbauten?

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW

(dr)
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