Cord Eberspächer Konfuzius sagt: Herrsche und sei Vorbild!

Düsseldorf · Der Direktor des Konfuzius-Instituts spricht über Politikberatung im alten China - und was Politiker daraus lernen können.

 Cord Eberspächer leitet das Düsseldorfer Konfuzius-Institut. In seinem Büro hängt ein Bild des Schülerwettbewerbs "Konfuzius und ich": Schüler aus Suchou ließen den Philosophen vor dem Brettspiel Wéiqí schweben.

Cord Eberspächer leitet das Düsseldorfer Konfuzius-Institut. In seinem Büro hängt ein Bild des Schülerwettbewerbs "Konfuzius und ich": Schüler aus Suchou ließen den Philosophen vor dem Brettspiel Wéiqí schweben.

Foto: Andreas Bretz

Herr Eberspächer, das Institut, das Sie in Düsseldorf leiten, ist nach Konfuzius benannt. Wie populär ist er in China?

Eberspächer Seit einigen Jahren gibt es ein Revival. Konfuzius war über Jahrtausende ein maßgeblicher Ratgeber. Im 20. Jahrhundert erlitt er jedoch eine erhebliche Ansehensdelle.

Weshalb?

Eberspächer Bei der Revolution 1911 ging es um das Hinwegfegen des Alten. Konfuzius war eine der herausragenden Symbolfiguren. Am Ende der Kulturrevolution, Mitte der 1970er Jahre, gab es eine regelrechte Anti-Konfuzius-Kampagne. Erst seit zehn bis zwölf Jahren verschwinden die Vorbehalte.

Woher kommt das?

Eberspächer Es gibt in China ein großes Bedürfnis nach Sinnstiftung - und da liegt die Orientierung an der eigenen Tradition natürlich nahe. Auch der Buddhismus erlebt ein Revival. Konfuzius ist also ein Stück weit in den Alltag zurückgekehrt. Das hat viel mit dem geistigen Vakuum zu tun. In China drehte sich in den vergangenen Jahren vieles ums Geld, für Werte blieb wenig Raum. Auch die chinesische Regierung hat begriffen, dass es mit reinem Materialismus auf Dauer nicht funktioniert. Und die Sehnsucht nach Werten und Ordnung steht im Zentrum der Konfuzius-Lehre.

Inwiefern?

Eberspächer Zu seiner Zeit - 551 bis 479 vor Christus - war die gesamtstaatliche Ordnung im Niedergang. Es herrschten Chaos und Korruption. Konfuzius hat überlegt, wie das Gemeinwesen neu zu ordnen ist. Auf der einen Seite sah er Familie und sittliche Beziehungen, auf der anderen der Herrscher, der herrschen, aber auch ein leuchtendes Vorbild sein soll. Dann, so folgerte Konfuzius, würden ihm alle folgen.

Konfuzius war also Politikberater?

Eberspächer Das kann man so sehen. Er war aber nicht der Einzige. Denn in der Zeit der 100 Schulen zog eine Reihe Denker von Hof zu Hof, um Beratung anzubieten, in der Hoffnung, den Fürsten zu finden, der sich ihrer Lehre entsprechend verhält.

Ist das Konfuzius angesichts der vielen Konkurrenten gelungen?

Eberspächer Ja, im Staate Lu ist er sogar zum Justizminister und Vizekanzler aufgestiegen.

Wie verhielt sich der Herrscher?

Eberspächer Gerecht, tugendhaft, hielt sich an die Riten. Der König soll Mittler zwischen Himmel und Erde sein, das gelingt nur im Einklang mit den Riten. Verstößt er dagegen, auch heimlich, gerät die Erde in Unordnung. Die Folgen können Unglücke oder Unwetter sein. Dafür steht der Herrscher in Verantwortung.

Heißt das, laut Konfuzius wäre der damalige Oberbürgermeister Dirk Elbers im Juni 2014 für den Pfingstorkan Ela verantwortlich gewesen?

Eberspächer Zumindest hätte es laut dieser chinesischen Sicht seine Legitimation erschüttert.

Was würde Konfuzius heutigen Herrschern raten? Eberspächer Ein schönes Beispiel für die moderne Politik ist "Die tägliche Selbstprüfung", nachzulesen im Lunyu. Die besagt, einfach ausgedrückt, dass man dreimal am Tage innehalten und über das eigene Handeln nachdenken soll - ob man alles gewissenhaft erledigt, sein Wort gehalten und sich selbst an das gehalten hat, was man predigt.

Halten sich Politiker daran?

Eberspächer Ich weiß nicht, ob sie immer die Zeit haben, innezuhalten und nachzudenken. Bei vielen sind die Terminkalender doch sehr voll.

War Konfuzius bei seinem damaligen Herrscher dauerhaft erfolgreich?

Eberspächer Irgendwann gab sich auch sein Fürst lieber Tanz, Gesang und Konkubinen hin. Vielleicht war es ihm zu anstrengend, auf den gestrengen Herrn Konfuzius zu hören.

War es für Konfuzius schwer zu erkennen, dass er nicht gehört wird, obwohl er das Richtige rät EBERSPÄCHER Natürlich. Aber Macht korrumpiert. Es ist als Politiker nicht leicht, die Bodenhaftung zu behalten. Denn man ist gefangen in einer Welt, die mit dem normalen Alltag nicht mehr viel zu tun hat. Man gewöhnt sich daran, Leute um sich zu haben, die sich um alles kümmern. Deshalb würde ich eine gewisse Abgehobenheit Spitzenpolitikern nicht einmal zum Vorwurf machen. Welche Konsequenz hat Konfuzius damals gezogen?

Eberspächer Er ist zu dem Schluss gekommen, dass er kein Amt haben muss, um seine Lehren in die Welt zu bringen. Er war überzeugt, dass sich die wahrhaftige Lehre durchsetzen wird.

Hat er recht?

Eberspächer Auch dazu gibt es eine passende Weisheit: "Der Meister sprach, Irrlehren anzugreifen, das schadet nur." Er geht also davon aus, dass sich das Leben selbst widerlegt. Daran musste ich bei den islamkritischen "Dügida"-Demos denken.

Werden der Weisheit entsprechend die kläglichen Aufmärsche der Rechten nur durch die Gegendemos am Leben gehalten?

Eberspächer Das Maß ist wichtig. Die erste große Gegendemonstration war richtig, um ein Zeichen zu setzen. Aber inzwischen haben sich die Gegendemonstranten einen perpetuierten Wochentakt aufzwingen lassen.

Über Konfuzius wurde gesagt, er wisse, dass seine Ideen nicht zu verwirklichen seien, lasse aber dennoch nicht davon ab. Ein Plädoyer für mehr Standhaftigkeit?

Eberspächer Definitiv. In der Politik haben wir zu viel Schwanken im Winde. Ich würde mir im konfuzianischen Sinne wünschen, dass Politiker jenseits von Amt und Wahlterminen eine klare Haltung haben. Damit meine ich natürlich nicht, dass man sehenden Auges starrsinnig in den Untergang reiten soll. Aber die FDP zum Beispiel geriet in die Krise, weil sie sich immer das Mäntelchen umgehängt hat, das gerade passend war.

Konfuzius hat auch eine klare Vorstellung von Autorität. Wie muss sich in seinem Sinne ein guter Oberbürgermeister verhalten? Eberspächer Er soll ein Vorbild in Auftreten und Integrität sein, nah am Bürger, aber jenseits davon seinen Weg unbeirrt verfolgen. Ein passendes Zitat: "Glatte Worte und einschmeichelnde Mine sind selten vereint mit Sittlichkeit." Wichtig ist auch die Kultivierung der eigenen Person, das Arbeiten an sich selbst. Freunde und Berater sollten nicht Ja-Sager, sondern auf Augenhöhe sein. "Und hast du einen Fehler, scheue nicht, ihn zu verbessern."

Welche Ratschläge hat Konfuzius für den Stadtrat?

Eberspächer "Wenn man durch Erlasse leitet und durch Strafe ordnet, so weicht das Volk aus und hat kein Gewissen. Wenn man durch die Kraft des Wesens leitet und durch Sitte ordnet, so hat das Volk Gewissen und erreicht das Gute."

Aber heißt das nicht Regellosigkeit?

Eberspächer Konfuzius geht von grundlegenden Regeln im Zusammenleben und in Beziehungen aus. Werden die nicht eingehalten, gerät alles in Unordnung. Dem gegenüber stehen die Legalisten, die auf ein striktes System aus Gesetzen und Erlassen setzen.

Was ist denn realistischer?

Eberspächer Konfuzius sieht den Menschen als Edlen, der von Grund auf gut ist. Das ist sehr idealistisch. Die Legalisten sehen den Menschen als von Grund auf schlecht, man muss ihm deshalb alles vorschreiben. Die Mitte ist wahrscheinlich richtig, das merke ich auch immer wieder bei meinen Kindern. Gummibärchenentzug ist übrigens ein hervorragendes Erziehungsmittel.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(dr)
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