Düsseldorf Kraftakt auf dem Kinderspielplatz

Düsseldorf · Jeden Sonntag treffen sich zwischen Mietshäusern in Oberbilk Menschen, um draußen zu trainieren. Calisthenics nennt sich der Sport, der das Fitnessstudio in die Grünanlage verlegt. Nun drängen sie auch in Düsseldorfs Parks.

 Ausfallschritte gehören zum Programm der Sportler. Jeden Sonntag trifft man sich. Dabei spielt das Wetter kein Rolle.

Ausfallschritte gehören zum Programm der Sportler. Jeden Sonntag trifft man sich. Dabei spielt das Wetter kein Rolle.

Foto: Bernd Schaller

Man braucht erschreckend wenig, um zu trainieren. Eigentlich nichts, sagt Christopher Haas, ein gut gelaunter und austrainierter 20-Jähriger, der jeden Sonntag um 14 Uhr in der Stahlwerkstraße ein paar erwachsene Menschen herumscheucht. Das sieht am Anfang ein bisschen komisch aus, wenn sich Erwachsene in Sportkleidung bei leichtem Nieselregen auf einem Kinderspielplatz treffen, aber Hemmungen hat hier schon lange niemand mehr. Hier wird trainiert, soweit der ernste Hintergrund, und das macht den Beteiligten nun schon seit bald einem Jahr großen Spaß.

Haas holt die Stoppuhr heraus, die Leute haben ihre Taschen und Rucksäcke in Sicherheit gebracht, zu acht sind sie heute, im Sommer waren auch schon einmal 30 Personen hier, doch bei der Kälte, bei dem Wetter kommt nur noch der harte Kern. Immer noch genug, sagt Haas und beginnt mit Stretching- und Aufwärmübungen.

Calisthenics heißt der Sport, letztlich ein Krafttraining, das das Gewicht des eigenen Körpers nutzt, um Muskeln aufzubauen und sich fit zu halten. Manche nennen diese Art des Trainings auch Street Workout oder Ghetto Fitness. Ursprünglich kommt der Sport aus den USA. Hier haben Leute, die nicht in Sportstudios gehen, Übungen entwickelt, die eigentlich überall gemacht werden können. Man braucht nur eine geeignete Fläche, kommt ohne Gewichte oder Hanteln aus. Lediglich ein paar Reckstangen sind hilfreich. In Düsseldorf nutzten die ersten Street-Workouter auch ein altes Pflanzgerüst im Nordpark.

Paul Böhme war einer der ersten, der die Sportart in Düsseldorf für sich entdeckte. Inzwischen hat er auch eine Internetseite geschaltet, auf der Interessierte sich informieren können, wo in Deutschland es Möglichkeiten zum Training gibt. In Düsseldorf gibt es lediglich die Anlage an der Stahlwerkstraße als Teil eines Kinderspielplatzes, allerdings ist sie nur bedingt geeignet und wird dem Ansturm der Sportbegeisterten auch kaum Herr. So haben Böhme und seine Mitstreiter sich inzwischen auch an die Stadt gewandt. Ziel ist es, eine Street-Workout-Anlage zu installieren. "Unser Traum wäre natürlich eine Anlage im Rheinpark", sagt Böhme. Und tatsächlich ist die Stadt dem Vorhaben gegenüber aufgeschlossen. Es werde angestrebt, zunächst eine erste Anlage in Düsseldorf zu errichten, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Ratsfraktion im Sportauschuss. Gemeinsam mit der Szene wolle man die Anlage planen. Die Sportverwaltung habe die Auffassung, dass die Errichtung als alternatives und kostengünstiges Angebot sinnvoll sei, heißt es hier.

Inzwischen beschäftigen sich die Sportler an den Reckstangen, sie üben Klimmzüge, halten Positionen mal länger mal kürzer und geben einander dabei Hilfestellungen. Der 22-jährige Marvin kommt seit dem Sommer zu den sonntäglichen Treffen. Für den Studenten der Wirtschaftschemie ist der Sport ein guter Ausgleich zum Lernen im stickigen Hörsaal. "Besonders gut finde ich, dass man hier an der Luft ist", sagt er. Eine Auffassung, die auch Oliver Roesner teilt. Der 25-jährige schätzt besonders das Gruppenerlebnis. Das motiviere, wiederzukommen. Anders als im Studio sei Calisthenics ein Sport, den man zu mehreren betreibt. Roesner hat, seit er im April über Facebook zu der Gruppe gestoßen ist, mehr als 20 Kilo Gewicht verloren, es mache einfach Spaß. Was auch am Trainer liegt, der anleitet und hilft, auf individuelle Bedürfnisse eingeht und gute Laune macht. Haas bekommt dafür kein Geld. "Es macht mir Spaß, etwas weiterzugeben", sagt er.

(RP)
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