Düsseldorf Alles dreht sich

Düsseldorf · Im Tanzhaus zeigte die norwegische Nationalkompanie ihr Stück "Jerada".

Es riecht nach Weihrauch im großen Saal des Tanzhauses NRW. Die Bühne ist leer. Von der Seite dringt ein arabischer Männergesang in den Raum. Die Mischung aus Melancholie und Aggression wird verstärkt durch schwere, stampfende Trommelschläge. Nach einigen Minuten schreitet ein Mann im halblangen, schwarzen Mantel ins Scheinwerferlicht. Er beginnt sich zu drehen, mal langsamer, mal schneller, immer in die gleiche Richtung, nach rechts. Dann führt er sein Kreiseln fort über die gesamte Bühnenfläche. Kleine Variationen der Armhaltung oder der Geschwindigkeit lenken die Blicke der Zuschauer immer wieder aufs Neue.

So beginnt "Jerada", das Stück der norwegischen Nationalkompanie für zeitgenössischen Tanz. Das Gastspiel des in Bergen ansässigen Ensembles überraschte und begeisterte auch in Düsseldorf. Der Name des Stücks steht für eine Provinz im Nordwesten Marokkos. Dort kommt es seit einigen Wochen zu großen Unruhen, weil nach dem Schließen unrentabler Kohleminen einige Menschen in illegalen Gruben zu Tode kamen. Für die Norweger, die mehrere Wochen lang bei der marokkanischen Choreografin Bouchra Quizguen zu Gast waren, ging es in ihrer einstündigen Kreation um Grundsätzlicheres. Wie entwickeln sich Begegnungen unterschiedlicher Kulturen? Wie trifft man in Gruppen aufeinander, ohne dass Reibungen entstehen? Die insgesamt 14 Tänzer unterschiedlicher Herkunft wählten hierfür die Form des Kreises.

Sehr langsam wächst auf der Bühne eine Gruppe heran. Jeder Einzelne kreiselt mit eigenem Tempo. Zunächst in die gleiche Richtung, dann auch entgegengesetzt. Man geht ab, ruht aus und stößt wieder dazu. Jetzt lässt der Gesang nach, das Trommeln verebbt. Und die Kleidung wird bunter. Wo anfangs Schwarz dominierte, sieht man rote Kniestrümpfe oder ein blaues Hemd. Als das Tempo des Kreiselns eine schier unglaubliche Steigerung erfährt, kommt es zu ersten Kollisionen. Absichtliche Rempeleien? Mit schrillen Kommandos bringt jemand wieder Ordnung in die Truppe. So geht es weiter, bis zuletzt eine einsame Tänzerin im verlöschenden Licht ihre letzten, taumelnden Kreise dreht. Die Magie dieser einstündigen Performance wirkt nach, ähnlich wie der Weihrauch.

(RP)
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