Düsseldorf Anita Kupsch rettet müden Theaterabend

Düsseldorf · "Pretty Girl" hatte Premiere in der Komödie an der Steinstraße. Es gab viel Applaus für die "gute Seele" des Stücks.

 Genehmigt sich ab und zu ein Schlückchen: Monika Richter alias Anita Kupsch.

Genehmigt sich ab und zu ein Schlückchen: Monika Richter alias Anita Kupsch.

Foto: Raffaele Horstmann

Die Geschichte ist schnell erzählt: Julia, die als "Hostess" arbeiten will, verirrt sich im Apartemente von Richard. Der denkt, sie ist seine angekündigte neue Fitnesstrainerin. Bis alle Rätsel gelöst sind, haben sich beide - sie die mittellose Studentin, er der reiche Unternehmer - schon längst ineinander verliebt. Wohl gesteuert von seiner Haushälterin, die für alle ein offenes Ohr und ständig ein leeres Glas in der Hand hat. Störenfried für beide Frischverliebte ist - aus unterschiedlichen Gründen - sein schmieriger Anwalt Frank (Momme Mommsen). Auflockern tut alles der Oberbürgermeister der Nachbarstadt. Am Ende wird alles gut. Soweit zum Drehbuch.

Wer nun Ähnlichkeiten zu bereits bestehenden Storys vermutet, liegt richtig. "Pretty Girl", das am Mittwoch in der Komödie an der Steinstraße Premiere hatte, wurde auf Grundlage von "Pretty Woman" von Autor Florian Battermann für die Bühne neu geschrieben. Richard Gere und Julia Roberts sind im Film die Protagonisten mit bekannter Vorgeschichte. Dass diese beiden Schauspieler auch nur im Ansatz nicht zu kopieren sind, steht außer Frage. Aber so ein bisschen Elan? So ein bisschen Ausstrahlung hätte es schon sein dürfen, oder?

Andreas Elsholz als alleinstehender und reicher Unternehmer Richard Higgins und seine Bühnenpartnerin Silvia Maleen als Julia spielen langweilig, farblos, pointenarm, ohne das Publikum zu berühren. Sie scheinen ihre Rolle selbst nicht zu glauben - kein Wunder, dass ihnen das Publikum das erst recht nicht abnimmt. Wie gut, dass es die Haushälterin Monika Richter gibt, gespielt von der immer noch quirligen Anita Kupsch: Die rettet echt den Komödien-Abend. Nicht nur, weil sie dauernd interaktiv mit dem Publikum quatscht, es einbindet, nach dem Alter fragt, Witzchen erzählt, sondern auch, weil sie charmant ihren Text vergisst, die Rolle der Gin-Liebhaberin auch am frühen Morgen überzeugend spielt und sogar für den Oberbürgermeister aus Neustadt (Holger Petzold) als Frau noch attraktiv wirkt. Und dabei ist sie doch schon "XXX4 Jahre" alt, brummelt sie unverständlich. Genau: Anita Kupsch ist im wirklichen Leben 74 Jahre alt. Und wenn eine solche Grande Dame der Unterhaltung einen solchen Abend rettet - und das offenbar tun muss - wie ist es dann um die anderen Darsteller, um das Stück, um Inhalt und Wirkung bestellt?

Da nützt auch die flotte Musik nichts. Weder "Atemlos" von Helene Fischer (als der Oberbürgermeister gerade keine Luft bekommt), "Küssen verboten" oder "Es ist vorbei", als sich das Pärchen zwischendurch mal eben trennt.

Die erste Hälfte von "Pretty Girl" ist total ermüdend, in der zweiten nimmt das Stück etwas Fahrt auf und lässt erahnen, welches Potenzial zumindest im Drehbuch liegen könnte. Kupsch und Petzold übernehmen mehr und mehr die Regie auf der Bühne, und allein wegen ihrer sich anbahnenden Romanze kann das Publikum auflachen. Aber auch, weil Kupsch immer wieder mit ihrem Alter kokettiert - und genau das ist den - zumeist ergrauten - Besuchern an der Steinstraße vertraut. Die können sogar über einen ziemlich abgedroschenen Friedhofs-Witz, erzählt von Kupsch, lachen. Und sie lachen sogar, als die Schauspielerin - natürlich im Zusammenhang mit Vogelstimmen - den Satz sagt "Ich war früher immer gut zu Vögeln".

Wie man aber mit einem solchen Stück, einer solchen energie-armen Inszenierung (Regie: Helmuth Fuschl), junge Leute in ein Boulevard-Theater bekommt, das bleibt rätselhaft.

(RP)
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