Düsseldorf Auf dem Gipfel der Fotokunst

Düsseldorf · Das Buch heißt "Bernd & Hilla Becher im Gespräch". Es besteht aus zwei Interviews mit den Künstlern, die ihr Schaffen beschreiben.

Würde man den Stellenwert von Künstlern anhand der Bekanntheit ihrer Studenten messen, könnte Bernd und Hilla Becher kaum jemand eine Spitzenposition auf dem Olymp der Fotokunst streitig machen. Doch geht ihre Bedeutung weiter darüber hinaus, die Lehrmeister unter anderem von Candida Höfer, Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky gewesen zu sein. Das Ehepaar Becher hat die Fotografie als künstlerische Position zu einer festen Kategorie in der Bildenden Kunst etabliert.

Ein soeben im Schirmer/Mosel-Verlag erschienenes Buch verabschiedet sich mit einer Verneigung von dem epochemachenden, verstorbenen Paar, dessen Gesamtwerk seit 1977 in insgesamt 22 Bänden von Lothar Schirmer verlegerisch betreut wird.

Als Bernd und Hilla Becher anfingen zu studieren, gab es an der Düsseldorfer Akademie noch nicht einmal eine Klasse für Fotografie. Heute ist Fotokunst in Museen, Galerien und auf dem Kunstmarkt generell nicht mehr wegzudenken, und Becher-Werke fehlen weltweit in keiner wichtigen Sammlung. 1976 übernahm Bernd Becher bis 1996 als Professor die erste Klasse für Fotografie an der Akademie.

Der Band "Bernd & Hilla Becher im Gespräch" druckt zwei Interviews des Paares ab, die tiefen Einblick in ihr Denken, ihren Werdegang und ihre Einschätzung zu anderen Künstlern geben. Das erste Gespräch erscheint erstmals in deutscher Sprache, es wurde 2002 für das Magazin "Art in America" geführt und war das erste längere Interview der beiden.

Mehr als 40 Jahre haben sie gemeinsam gearbeitet, nachdem sie sich 1957 in einer Düsseldorfer Werbeagentur kennengelernt und vier Jahre später geheiratet hatten. Bernd Becher hatte eine Lehre als Dekorationsmaler absolviert und dann Grafik und Malerei an der Kunstakademie Stuttgart studiert. Die aus der DDR geflohene Hilla hatte eine Lehre als Fotografin durchlaufen. Sie wurden an der Düsseldorfer Akademie angenommen, da - so berichtet Hilla - einige Lehrer Interesse an der Fotografie zeigten.

Dass sie dazu kamen, Industriebauten zu fotografieren, ist dem Faktor Zeit zu verdanken: Ende der 50er Jahre wurden die ersten Industrieanlagen demoliert und abgebaut. Bernd erzählt, dass die ersten Fotos davon mit einer Kleinbildkamera entstanden - nicht, um sie zu fotografieren, sondern um sie später zu zeichnen und zu malen. Sie waren Mittel zum Zweck: "Ich habe da wochenlang gesessen und gezeichnet, konnte aber nicht mithalten mit dem Tempo der Demontage".

Es ist spannend zu lesen, wie dann die nahezu enzyklopädischen Typologien von Fördertürmen, Kalköfen, Silos, Kohlebunkern oder Wassertürmen entstanden und wie aus den beiden die Porträtisten verschwindender Industriebauten wurden. Trotz ihrer Ähnlichkeit zeigen die Abbildungen unwiederbringlich verlorene Individuen. Bewegend ist das zweite Interview, in dem Hilla 2008 nach dem Tod ihres Gefährten über die Mühen des Alters erzählt und wie Bernd zu Beginn des Schaffens mit der Verewigung der Siegerländer Erzbergwerke eigentlich nur die Bilder aus seiner Kindheit bewahren wollte. Sie berichtet, wie die zwei im Team arbeiteten, sie ihn als Chef akzeptierte und sie sein Berater wurde. "Anders geht es nicht. Das würde ich übrigens jedem Ehepaar raten. Einer sollte die Kompetenz kriegen und sagen können: So wird es gemacht!". Sie erwähnt, dass er gegen Ende seines Lebens oft sagte: "Hilla, wir sind nicht fertiggeworden" und sie dann gestritten haben, da sie der Auffassung war, dass das nicht ginge, da ihr Werk doch unendlich sei.

Wie unendlich kostbar für uns, die Betrachter, dass Bernd und Hilla Becher uns ein Stück dieser Unendlichkeit bewahrt und beschert haben.

(RP)
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