Düsseldorf Ballett mit Kopf und Herz

Düsseldorf · Natalia Horecna gehört zu den gefragtesten jungen Choreografinnen Europas. In Bilk probt sie für eine Uraufführung.

 Wenn Natalia Horecna probt, ist sie immer auch involviert. Die Choreografin ist keine, die die Proben nur vom Rand beobachtet. Meistens bewegt sie sich zwischen ihren Tänzern.

Wenn Natalia Horecna probt, ist sie immer auch involviert. Die Choreografin ist keine, die die Proben nur vom Rand beobachtet. Meistens bewegt sie sich zwischen ihren Tänzern.

Foto: Gert Weigelt

Es sind jetzt nicht mal mehr zwei Wochen, dann muss alles sitzen, auch die letzten Schritte in Szene zwei und Szene sechs und bei "The soul's couple" - einem Paar: Tänzer und Tänzerin, die sich gerade um den richtigen Ausdruck bemühen und darum, dass die Beine bei der Hebeübung durchgestreckt sind. "More energy" fordert Natalia Horecna, sie wünscht mehr Kraft aus den Oberschenkeln.

Es ist der Beginn der fünften Probewoche im Balletthaus in Bilk, am Montagmittag ist 2017 noch keine zwei Tage alt, aber schon am 14. Januar soll das neue Jahr seine erste Premiere in der Deutschen Oper am Rhein erleben. "b.30" wird dann aufgeführt, ein weiteres Programm aus der Reihe mit drei Choreografien pro Abend, zuletzt wurden ja im Herbst "b.26" und "b.29" in Düsseldorf und Duisburg auf die Bühne gebracht. "b.30" soll sich nun dem zeitgenössischen Ballett widmen, zwei Choreografien werden uraufgeführt: Remus Sucheanas "Concerto Grosso Nr. 1" und Natalia Horecnas "Wounded Angel".

Horecna bringt in "Wounded Angel" die Gefühle eines Mannes auf die Bühne, die guten, aber auch die schlechten. "Unsicherheit", "Angst" und "Neid" stehen zum Beispiel auf der Besetzungsliste und machen sich nun in Trainingshosen und T-Shirts bereit für ihren Einsatz. Die Kostüme werden erst in späteren Proben getragen. Bei der Premiere sollen die Tänzer schließlich in bunten Kleidern auf einer auf das Nötigste reduzierten Bühne auftreten.

Der Mensch, um den es in ihrem Ballett geht, sei nicht glücklich mit seinem Leben, erzählt Natalia Horecna. Er möchte etwas ändern, es geht nun also um das Was und vor allem das Wie. Horecna glaubt, dass der Welt Liebe fehlt, dass die Menschen zu sehr von ihrem Ego geleitet sind. Sie sagt aber nie: die Menschen. Sie sagt immer: wir. "Wir denken immer, dass wir nicht gut genug sind", sagt sie. Auch bei den Proben bemerkt sie das: Tänzer, die sich von den Spiegelwänden im Balletthaus hemmen lassen. "Es gibt eine gewisse Scheu", sagt Horecna. Die Choreografin wünscht sich mehr Selbstliebe, sagt sie, "aber keine narzisstische Liebe". Es geht ihr um ein gesundes Verhältnis zu sich selbst, darum, negative Gefühle zuzulassen, um daraus zu lernen, nicht um sich davon beherrschen zu lassen. Zu Beginn der Proben habe sie die Tänzer daran erinnern müssen loszulassen, sagt sie. Zuweilen klingt das auch sehr spirituell, was sie sagt.

Natalia Horecna gilt als eine der gefragtesten jungen Choreografinnen Europas. Die 40-jährige Slowakin hat in Hamburg und den Niederlanden getanzt und mittlerweile 35 Ballette entwickelt. "Wounded Angel" ist ihre erste Arbeit für das Ballett am Rhein. 45 bis 50 Minuten ist das Programm lang, aber Menschen, die es in Grundzügen bereits gesehen haben, sagen, die Zeit vergehe wie im Flug. Sie wolle das Publikum nicht langweilen, sagt Natalia Horecna.

Mit gleitenden Schritten bewegt sie sich bei den Proben zwischen ihren 14 Tänzern, redet ihnen zu, streckt die Arme aus, als gebe sie ihnen noch den entscheidenden Impuls mit. Was sie am häufigsten sagt: "more" und "more" und "more". Sie fordert immer noch ein bisschen mehr. Mehr Ausdruck, mehr Bewegung. An einer Stelle gibt es einen Luftkuss. Was sie sieht und hört, ist ihr noch zu wenig. Sie macht's noch mal vor, und es klingt dann wie ein richtiger Knutscher.

(kl)
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