Günther Beelitz Baustellen, Babys und der längste Laufsteg der Welt

Düsseldorf · Der Intendant sagt: "An Härte ist diese Spielzeit nicht zu übertreffen." Am Samstag eröffnet er die Saison mit dem Stück "Königsallee".

 Günther Beelitz in seinem Intendantenzimmer am Gustaf-Gründgens-Platz.

Günther Beelitz in seinem Intendantenzimmer am Gustaf-Gründgens-Platz.

Foto: Anne Orthen

Günther Beelitz gibt sich gelassen. Innerlich muss er kochen. Als Eröffnungspremiere bietet er mit "Königsallee" einen spannenden Stoff an. Ein Umzugsprojekt gilt es während der Spielzeit zu stemmen, einen verletzten und drei schwangere Hauptdarsteller umzubesetzen. Die Probleme sind groß. Dabei geht es doch eigentlich nur um die Kunst und um die Liebe zum Theater.

Intendant machen Sie sicher nicht noch einmal?

Beelitz Och nee . . . einen unmittelbaren Bedarf habe ich nicht.

Sie werden bald 77 Jahre alt . . .

beelitz (lacht)Solange man körperlich keine Baustellen hat und offen und interessiert ist, ist das gar kein Problem. Das Einzige, was nicht nachlassen darf, ist die Neugier.

Was wollen Sie in Ihrer letzten Spielzeit als Intendant erreichen?

beelitz Soeben haben wir die Hiobsbotschaft erhalten, dass wir alle aus dem Haus am Gründgens-Platz herausmüssen. Eigentlich ist es unbeschreiblich, was die Stadt uns zumutet. Heizung, Wasser und Strom werden ausgeschaltet im Rahmen der Sanierungsarbeiten. Das Haus ist dann gänzlich tot. Schon zeichnet sich ab, dass eine Zeitverschiebung bis zur Neueröffnung nicht mehr auszuschließen ist.

Der arme Wilfried Schulz!

beelitz Ich denke jetzt erst mal an uns. Das ist so hart, was wir da mitten in einer Spielzeit durchziehen müssen, einen Umzug mit dem kompletten Repertoire, das wir eins zu eins im Central auf die Bühne bringen wollen.

Und dann die Sorge, dass die Besucher vielleicht nicht in die Bahnhofsgegend kommen wollen.

Beelitz Gerade haben wir einen Bescheid bekommen, dass wir die Treppe als Fluchtweg nutzen können. Und dass die Kiffer-Ecke wegkommt. Da setzt man jetzt eine gut aussehende Abgrenzung hin, in die TV-Screens eingebaut werden, auf denen Trailer zu unseren Stücken laufen. Diese Treppe wird der längste Laufsteg der Welt. Die längste Theke hat der längste Laufsteg dann auch und das längste Foyer - ganz bestimmt der Welt. Im Moment kenne ich kein längeres.

Das Wichtigste ist aber, dass die Besucher auch kommen.

Beelitz Ich glaube an unseren deutschsprachigen Spielplan, der auf die Breite von Literatur und Gegenwart aufmerksam macht und viele Bezüge zu Stadt, Region und zu unserem Dügida-Abwehr-Motto hat: Humanität, Respekt, Vielfalt.

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Beelitz Das macht nichts, denn das Stück ist hochaktuell und sehr bedeutsam in den Fragen nach Gerechtigkeit, die es aufwirft.

Wie besetzen Sie es?

Beelitz Mit zwei großartigen Schauspielern: Die wunderbare Nicole Heesters konnte ich für die Rolle der Staatsanwältin gewinnen und den ebenso starken Wolfgang Reinbacher als Vorsitzendem Richter. Große Namen sind gut fürs Haus, ich brauche gewisse Anknüpfungspunkte, die ich dem Düsseldorfer anbieten kann.

Weil Sie Angst haben, dass er sonst nicht ins Central kommt?

Beelitz Der Düsseldorfer neigt nicht dazu, wie manch anderer Städter, sich für etwas Alternatives oder Neues zu begeistern. Ich meine hingegen: Ein neuer Spielort kann eine Bereicherung sein, er bringt ein anderes Feeling, eine andere Atmosphäre.

Sie tragen Sorge, dass der anstehende Umzug die Theaterunlust in Düsseldorf noch fördern könnte?

beelitz Man weiß es nicht. An Härte ist diese Spielzeit kaum zu übertreffen. Aber wir haben ja mit 28 000 Besuchern mehr in der vergangenen Saison einen kleinen Aufschwung erlebt, wir haben Mehreinnahmen und einen stabilen Etat - das ist das, was ich auf die Habenseite buche und was gegen die unermüdlichen Widerstände der organisatorischen Art steht. Ich rufe dem Publikum zu: Bleibt neugierig, kommt, stellt fest, dass Theater woanders auch funktioniert außerhalb des Pfau-Baus. Es hängt mehr davon ab, wie Theater ist, als davon, wo es ist. Das sind meine Appelle an die Düsseldorfer.

Sie mussten einige Premieren absagen oder verschieben. Diese Verschieberitis ist ein Ärgernis.

Beelitz Wir mussten den "Barbie" verschieben, weil sich Andreas Grothgar bei einem Bühnenunfall in Hannover eine schwere Schulterverletzung zugezogen hat. Dann hatte ich auf einmal im Frühsommer drei schwangere Frauen, Tanja Schleif, die gerade entbunden hat, Anna Kubin und Claudia Hübbecker - alle drei Protagonistinnen. Das freut mich persönlich sehr, aber das trifft uns natürlich auch. Wir mussten vieles umstellen.

Verlieren Sie bei all diesen Geschehnissen und Unwägbarkeiten trotzdem nicht die Lust am Theater? Sind Sie manchmal theatermüde?

Beelitz Nein. Man kann Theater nur ganz oder gar nicht machen, und das geht von morgens bis in die Nacht. Ich verstehe mich nicht als Feierabendintendant.

(RP)
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