Düsseldorf Bei Mozart im Sternenhimmel

Düsseldorf · Das jüngste städtische Symphoniekonzert brachte unter Leitung von Ádam Fischer ausschließlich Werke des Salzburger Komponisten.

 Sternstunde in der c-Moll-Messe: die Arie "Et incarnatus est" mit Sopran und drei Solobläsern, die gemeinsam an der Rampe musizieren.

Sternstunde in der c-Moll-Messe: die Arie "Et incarnatus est" mit Sopran und drei Solobläsern, die gemeinsam an der Rampe musizieren.

Foto: Susanne Diesner/Tonhalle

In einem ehemaligen Planetarium wird die Frage erlaubt sein, ob Sternstunden wiederholbar sind. Zwar ist dieses Planetarium mittlerweile ein weithin angesehener Konzertsaal - nämlich die Düsseldorfer Tonhalle -, doch unterliegen auch Musikaufführungen einer astronomischen Komponente: Man fühlt sich bei manchen Stücken wie im Himmel oder bekommt ihn auf die Erde geholt, manche fühlen bei einer Sinfonie die Sonne aufgehen oder haben den Eindruck, ein zu altfränkischer Interpret komme direkt von hinterm Mond.

Ja, und die Sternstunde? Natürlich besitzt sie etwas Einmaliges, Unwiederbringliches, Exklusives, um sie ist ein Spiralnebel, der die apodiktische Wirkung des Moments verteidigt gegen jede Möglichkeit einer Wiederholung. So ein Moment ereignete sich am 29. Juli 2016 in der Salzburger Peterskirche, wo unser Düsseldorfer Chefdirigent Ádam Fischer Mozarts c-Moll-Messe mit dem dortigen Bachchor und dem Mozarteum-Orchester aufführte. Diese Kirche gilt als der Ort der Uraufführung; man glaubte, der Geist des Genius loci schwebe über der Aufführung. Es war eine Sternstunde der Musik.

Und jetzt tritt Fischer mit dem einzigartigen Werk abermals an, diesmal in der Tonhalle, mit den Düsseldorfer Symphonikern und dem Städtischen Musikverein. Der Vergleich mit der Salzburger Aufführung ist selbstverständlich nicht ganz fair, weil beispielsweise der dortige Chor ein hochgezüchtetes professionelles Ensemble ist, das überaus wendig, klangschön, prachtvoll balanciert singt. Damit kann der Musikverein bei aller Liebe nicht konkurrieren; allein die schiere Masse der Sänger macht das unmöglich. Gewiss sang der Musikverein schön, war fast makellos in der Intonation, hatte auch (etwa im Sopran) eine zuverlässige Höhe. Doch bedürfen Mozarts Linien sozusagen der Freiheit der Virtuosität, sie vertragen keine Fußfesseln und keine lähmende Gruppendisziplin. Nun denn, der Musikverein war an diesem Abend einfach zu groß besetzt, es war eine CinemaScope-Veranstaltung mit leicht gestriger Ästhetik, die alle vokalen Kräfte mit den Gesetzen der Schwerkraft konfrontierte. Trotzdem war das Ergebnis beachtlich. Viele Chöre dieser Größe singen das mühevoller.

Bei den Vokalsolisten fiel eine Umbesetzung ins Gewicht. Jutta Maria Böhnert (Sopran) musste absagen und wurde durch die Koreanerin Yeree Suh ersetzt: eine feine getönte, bewegliche, nicht in allen Lagen ebenmäßige, aber charaktervolle Stimme. Leider war sie den Tiefenschichten der "Et incarnatus est" nicht ganz gewachsen. Sie sang das sehr verständig und nobel, mit inniger Empfindung. Aber zum Wunder wurde diese Arie nicht durch die Sängerin, sondern durch eine wahrhaft hinreißende Idee Fischers: Er holte nämlich die drei Holzbläser, mit denen der Sopran in dieser Arie konzertiert, nach vorne neben die Sängerin an die Rampe und ließ sie miteinander eine theologisch-musikalische Disputatio der allerschönsten Art führen. Wir erlebten gleichsam vier Sänger, nicht nur eine.

Unterhalb dieser Köstlichkeiten wie von der Milchstraße der Musik gab es Licht und Schatten. Die Mezzosopranistin Sophie Harmsen erzeugte um sich herum und vor allem in ihrer Stimme einige Unruhe und schien auch nicht ganz höhensicher. Die Herren hatten nur wenig zu tun, taten dies aber prachtvoll: Krystian Adam (Tenor) und Thomas Laske (Bass).

Pure Herrlichkeiten allerdings vor der Pause: Fischer dirigierte Mozarts "Prager" Sinfonie, und die Düsseldorfer Symphoniker brauchten ein wenig Zeit, bis sie sich auf die höchste Lebhaftigkeit eingelassen hatten, die Fischer ihnen abverlangte. Die Streicher hatten im ersten Satz minimale Probleme mit dem Timing, und die Trompeten klangen, etwas ungünstig positioniert, zu laut. Andererseits schossen die Forte-Akzente, die Fischer häufig forderte, wie Salven gleißenden Lichts ins Publikum. Höhepunkt war sicher das Finale mit einem Tempo, das den Symphonikern für wenige Sekunden die blanke Angst ins Gesicht trieb, dann aber hinreißend gelang.

Mozart in seinem Sternenhimmel, in dem es ja ausschließlich Sternstunden gibt, wäre summa summarum mit diesem Abend sehr zufrieden gewesen.

(w.g.)
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