Düsseldorf Bloß keine Alltagsposen

Düsseldorf · Die Galerie Beck & Eggeling zeigt bis 7. April "Portrait Sittings" von Michael Dannenmann: intime Momente mit Tänzern und Mimen.

 Christine Kaufmann in Düsseldorf.

Christine Kaufmann in Düsseldorf.

Foto: Dannenmann/Beck & Eggeling

Als der zurückhaltende Porträtist und die bildschöne Schauspielerin Christine Kaufmann im Hotelzimmer des Düsseldorfer Steigenberger zum Sitting aufeinandertrafen, fehlte die passende Garderobe. Wie immer beim Kennenlernen näherten sich Fotograf und Modell zunächst an, sprachen über dies und das. Für den Ausdruck des Augenblicks, den das Foto einfrieren sollte, kam man spontan auf den Bettüberwurf, der der Kaufmann als Robe dienen sollte. Sie wickelte sich einfach in das übergroße Tuch ein, das üppige Falten warf. Dieser Faltenwurf verband sich genial mit den barocken Linien des Gemäldes an der Wand.

Sehr typisch ist dieses Foto für die 2017 gestorbene, unvergessene Schauspielerin. Ihre nackten Füße ragen aus dem Umhang heraus, sie steht auf einem Sessel, und sie lächelt wunderschön - so wie sie es seit "Rosen-Reslis" Zeiten, 1954, für die Kameras von Film und Fernsehen tat.

Kaufmann reiht sich ein in die Galerie von meist berühmten Menschen, denen Michael Dannenmann in seinem Leben professionell begegnet ist. Die er in sein Studio bat oder in anderen Räumen aufsuchte, die sich aus dem Zusammenhang ergaben. Viele Künstler sind darunter, Jörg Immendorff, Günther Uecker, Heinz Mack, Sigmar Polke, Markus Lüpertz, Oda Jaune oder auch Karin Kneffel. Popstars wie Udo Lindenberg und Beatle George Harrison. Filmmenschen wie David Lynch, Dennis Hopper oder Isabella Rossellini.

Nur selten waren es Auftragsarbeiten, meist sind diese künstlerischen Fotos aus langjährigen Beziehungen und Freundschaften zwischen Fotograf und Modell entstanden. Einige hat Dannenmann mit einem Abstand von zehn Jahren neu inszeniert, es können auch mehr als 20 Jahre dazwischenliegen.

Spannend zu beobachten ist das Verrinnen der Zeit, das Spuren in den Gesichtern hinterlässt. Die direkte Gegenüberstellung zweier Zeiten wird gegenwärtig - wie bei Robert Wilson gelebtes, eingebranntes Leben.

Die Galerie Beck & Eggeling hat Dannenmann zur Soloschau gebeten, äußerlicher Anlass war das Düsseldorfer Photo Weekend, innerer Tenor: die Bewunderung der Galeristen für das Werk, das still, konzentriert und aussagekräftig ist.

In der Fotometropole Düsseldorf steht beinahe jeder Porträtist im Schatten der "Struffskys", dem Trio von Weltgeltung, das sich aus Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky zusammensetzt. Dannenmann entwickelt diesbezüglich keine Komplexe. Wenn auch seine Werke vielleicht nur ein Zehntel davon kosten, was ein Porträt von Thomas Ruff oder Thomas Struth auf dem Kunstmarkt bringt, so bleibt er doch ganz bei sich. "Wir kennen uns und begegnen uns natürlich, aber sie interessieren mich nicht vordergründig", sagt er. "Ich mache etwas ganz anderes, und das macht Sinn."

Das Interesse von Dannenmann ist künstlerisch geleitet, zuerst studierte er Malerei, dann Fotografie. In seiner Konstruktion der Bilder entdeckt man bildhauerisches Kalkül. Er interessiert sich für den Menschen, seinen Körper und sein Wesen, für den Charakter, der in einem guten Porträt mitschwingt. Er inszeniert wenig, bittet die Menschen aber, herunterzukommen von ihren Alltagsposen. Meistens schauen sie in die Kamera. "Ich dirigiere nur ein bisschen", sagt er, "damit Geometrie im Bild möglich wird." Handwerklich bleibt Dannenmann dem Analogen verhaftet wie seiner Mittelformat-Hasselblad-Kamera. Sie ist für ihn der Garant von Wahrhaftigkeit, "heute kannst du der Fotografie ja nicht mehr trauen".

Viele Aufnahmen entstehen bei Tageslicht. Die Hintergründe sind oft komplett zurückgenommen. Geht der Fotograf auf Reisen, dann hat er nicht nur Licht, sondern Material zum Raum-Inszenieren dabei. Damit nichts irritieren muss.

Besonders künstlerisch sind die Tänzer-Bilder, aus denen Dannenmanns Begeisterung für das Ballett spricht. Sein Geburts- und Studienort Stuttgart war eine der besten Adressen, um Benito, den Schönling, aufzunehmen oder Catherine, den unvollkommenen, sterbenden Schwan.

Einen halben Tag lang hat er Ende der 1980er Jahr mit Benito das Foto entwickelt, das den nackten Tänzer im Pas de deux mit einem Stuhl zeigt. Ein Gaukler fast und Schöngeist mit wundervollem Körper. Auch Catherine steht dem in nichts nach, wenn auch der Anlass ein trauriger war. Die Tänzerin sollte, aber konnte nicht im "Schwanensee" tanzen. Ein Moment, in dem für einen Künstler die Welt zerbricht.

Dannenmann zeigt die Künstlerin mit heruntergezogenem Tutu, verdeckter Brust. Sie kniet im Ballettsaal nieder. Ein nicht ganz gefallener Engel, aber sterbender Schwan.

In jedem Bild von Dannenmann steckt das Intime einer Persönlichkeit, das Entscheidende. Er ist mitnichten nur der Fotograf der Celebrities, wie man ihn in Düsseldorf gerne nennt. Genauso gerne bittet er Werftarbeiter vor seine Kamera. Ähnlich perfekt und unverstellt wie die Tänzer bauen sie sich vor seiner Kamera auf. "Wie hingegossen", sagt er. So etwas gefällt ihm.

(RP)
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