Düsseldorf Blutige Kunst der Passion

Düsseldorf · Durch Aktionen mit Tierkadavern machte sich Hermann Nitsch einen Namen. Jetzt stellt er Bilder aus, die zum Teil mit Blut gemalt sind.

 Der österreichische Künstler Hermann Nitsch (78) vor einem seiner blutigen Werke in der Galerie Geuer & Geuer

Der österreichische Künstler Hermann Nitsch (78) vor einem seiner blutigen Werke in der Galerie Geuer & Geuer

Foto: Andreas Endermann

Sein Name steht in jedem Lexikon moderner Kunst: Hermann Nitsch. Das gefällt nicht allen, denn der heute 78-jährige Österreicher wurde durch blutige Aktionen bekannt, die seit den 60er Jahren zu Beschimpfungen führten: Gotteslästerung, Verstoß gegen den Tierschutz, Wichtigtuerei. Dabei will und wollte er, wie er heute sagt, nicht provozieren, sondern das Leben feiern. Die Zuschauer seines "Orgien-Mysterien-Theaters" sollten eine Katharsis, eine Reinigung, durchlaufen und am Ende mehr denn je spüren, was es heißt, ein Mensch zu sein.

"Da wird man vom Numinosen getroffen", so schildert er die Aufführungen, in denen sich nackte Frauen mit Fleisch von Tieren bedeckten und in denen auch sonst viel Blut floss, zuweilen sogar geschlachtet wurde. "Es ist ein Schauer, der nicht nur entsetzlich ist. Man ist zutiefst gerührt. Und man weiß noch nicht einmal, ob das negativ oder positiv ist."

Das gilt für die Aufführungen, aber ebenso für die Bilder, in denen Nitsch das dramatische Geschehen zu verdichten sucht. Sein Verständnis vom Leben, das eine Passion sei, ist auch den seit 2001 entstandenen Gemälden und Zeichnungen eingeprägt, die zurzeit in der Düsseldorfer Galerie Geuer & Geuer Art unter dem Titel "Blut, Mysterien und Malerei" vereint sind. Dickpastige Farbe, meist Rot, rinnt von einem riesigen Ball die Leinwand hinab. Im Hintergrund ereignet sich das Gleiche in Dunkelbraun. Das bedeutet: Nitsch hat statt Farbe Blut verwandt. Auch andere Künstler des "Wiener Aktionismus" haben solche Schüttbilder hervorgebracht.

Hermann Nitsch sitzt, wie immer in Schwarz, mitten in seiner Düsseldorfer Schau und erklärt uns geduldig seine Bilder und Absichten. In Großformate bezieht er gern das Hemd ein, das er bei der Arbeit getragen hat. Ein Teil klebt rot übermalt auf der Leinwand, ein anderer ist in Schwarz davor drapiert. Kunst und Künstler, so lautet die Botschaft, sind eins.

Ist solche Kunst schön? Nitsch sagt statt Schönheit lieber Form: "Form ist das Essenzielle, das Kunst zu bieten hat, eine Feier der Ästhetik. Die Form ist auch vorhanden, wenn etwas Entsetzliches dargestellt wird wie etwa in der griechischen Tragödie." Auch die Passion Christi ist etwas Grausames, wird aber ästhetisch dargestellt: "Denken Sie an die Malerei von Matthias Grünewald oder die Musik Johann Sebastian Bachs." Da wird es also religiös. Nitsch gehört keiner Glaubensrichtung an, bekennt aber, dass ihn alle Religionen faszinieren, "vom Hinduismus über den jüdischen Glauben bis zum Islam". Er betreibe vergleichende Religionswissenschaft, sagt er und erkennt im Mythos von Dionysos eine Auferstehung wie in der biblischen Überlieferung von Jesus Christus. All das ist Teil seines Orgien-Mysterien-Theaters. Die Quintessenz lautet: "Ich bejahe das Leben radikal." Dazu gehört für ihn die Vereinigung von Sexualität und Spiritualität. Mehr noch: Das Mysterien-Theater soll durch eine Schärfung des sinnlichen Empfindens und die damit verbundene Reinigung Kriege verhindern, Aggressionen abbauen. "Wie Fußball?", fragen wir vorsichtig. "Ja", bestätigt Nitsch, "mit Fußball hat meine Arbeit viel zu tun."

Das Orgien-Mysterien-Theater ist längst ein Stück Kunstgeschichte, doch es soll noch einmal Gegenwart werden. "Rund um meinen 80. Geburtstag" will Hermann Nitsch erneut ein Sechs-Tage-Spiel inszenieren, auf seinem geliebten Schloss Prinzendorf in Niederösterreich und am liebsten wieder mit 500 Mitwirkenden wie ehedem. Wieder soll es blutig zugehen, wieder sollen Tierkadaver eine Rolle spielen. Den Tierschutz sieht der Künstler dadurch nicht verletzt: "Ich habe 99 Prozent des Fleisches, das in meinen Aufführungen Verwendung fand, beim Metzger gekauft - als Fleisch von Tieren, die ohnehin zur Schlachtung bestimmt waren." Und er fügt an: "Ich liebe Tiere über alles."

Wie zum Beweis erwähnt er seinen kleinen Zoo daheim: aus einer Unzahl Hühner, Katzen, Hunde, einem Esel und vielem weiteren Getier. Vor einem Auftritt im Orgien-Mysterien-Theater, so scheint es, sind sie sicher.

(B.M.)
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