Düsseldorf Bodo Kirchhoff hasst Lesereisen auf Kreuzfahrtschiffen

Düsseldorf · Der Schriftsteller trat mit Kostproben aus seinem neuen Roman im Heine-Haus auf. Seine Lesung fand viel Anklang.

Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff hat vor einiger Zeit eine beruflich-private Einladung erhalten. Zusammen mit einer Begleitperson könne er an einer Kreuzfahrt durch die Karibik teilnehmen, mit Balkonkabine und "all inclusive". Als Gegenleistung erwartete die Reederei einige Leseabende an Bord.

Selbstverständlich kam so etwas für den renommierten Autor nicht in Frage, und seine höfliche Absage erfolgte dann auch schnell in wenigen Zeilen. Dann aber reizte es ihn doch, diese Reise erst gedanklich und dann schriftlich durchzuspielen. Als Ergebnis verfasste Kirchhoff eine erneute Absage, diesmal aber mit mehr als 100 Seiten, die er in Buchform auf den Markt brachte und jetzt im voll besetzten Heine-Haus vorstellte (Bodo Kirchhoff: "Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt"). So schmal der nette Band, so kurzweilig die Präsentation durch den Autor.

Natürlich giert auch der sonst so elitäre Literaturbetrieb nach Entertainment. Lesungen finden statt auf Flussschiffen, in Glockentürmen, auf nächtlichen Hochsitzen oder anderswo. Ebenso gerieren sich die großen Buchmessen teilweise als Amüsiermeilen. Aber unter karibischem Himmel in Konkurrenz zu einem Bauchredner samt dessen Puppe aufzutreten, das wäre dann doch undenkbar. Kirchhoffs langer Absagebrief an seine fiktive Gastgeberin Susanne Faber-Eschenbach ist eine köstliche Parabel über die Gefahren, denen ein Gedanken- und Wortkünstler sich im eitlen Getriebe der Welt ausliefern könnte.

"Geborgenheit", so heißt es dort, "findet ein Literat nicht an langen Theken, sondern in langen Sätzen." Nur: Sind Kirchhoffs Auftritte mit diesem Büchlein nicht selbst Propaganda-Aktionen eines "Edutainers", wie die Reederei den Autor nennt? Wenn er darin sein mögliches Publikum auf dem Schiff mit Spott übergießt, was denkt er dann von seinen realen Zuhörern im Saal? Etwa von dem typischen Studienrat, der auch bei Kirchhoff für Häme hinhalten muss, aber Kafka, Rilke, Nietzsche und andere im Buch erwähnte Schriftsteller wirklich gelesen hat. Inklusive Shakespeares erotischem Sonett Nr. 20, das viel Anklang fand.

Dem preisgekrönten Autor scheinen die Gefahren bewusst zu sein: Mit diesem Buch plane er keine Lesereise, erklärte er. Umso schöner, dass er im Heine-Haus vorbeischaute.

(RP)
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