Düsseldorf Chefdramaturgin verlässt Schauspielhaus

Düsseldorf · Intendant Günther Beelitz verliert Programmgestalterin Eva-Maria Voigtländer. Auch andere wichtige Mitarbeiter auf und hinter der Bühne wollen das Haus verlassen. Der Intendant hält das für einen normalen Prozess und will schnell ein neues Ensemble aufbauen.

Sie war gekommen, um ihre reichen Verbindungen in die Theaterwelt für Düsseldorf spielen zu lassen: Eva-Maria Voigtländer, frühere Chefdramaturgin bei der Ruhrtriennale, sollte angesehene Theatermacher ans Schauspielhaus holen und dem Haus mit anspruchsvollen Produktionen wieder überregionale Beachtung verschaffen und aus dem Krisental helfen.

Doch nun packt Voigtländer nach wenigen Monaten schon wieder ihre Koffer. Der entlassene Intendant Manfred Weber hatte sie ans Haus geholt. Mit ihm hatte sie ihren ersten Spielplan entworfen, doch der stieß beim jetzigen Intendanten Günther Beelitz auf wenig Gegenliebe. Drei große Produktionen hat er Voigtländer aus dem Konzept gestrichen, darunter ein vielversprechendes Projekt mit der britischen Künstlerin Sue Buckmaster, die bereits bei der Ruhrtriennale beachtete Inszenierungen vorgelegt hat. Daraufhin hat nun Voigtländer um Auflösung ihres Vertrags gebeten — und das Theater hat die Kündigung angenommen.

Das Verfahren deutet darauf hin, dass die Dramaturgin möglichst schnell mit Düsseldorf brechen wollte. Voigtländer dürfte durch die Kündigung keine Abfindungen bekommen. Aufgehalten hat sie das nicht.

So herb dieser Verlust für die Theaterstadt Düsseldorf ist, die Chefdramaturgin ist nicht die einzige, die Beelitz gerade den Rücken kehrt. Wie aus dem Umfeld des Hauses zu hören ist, gibt es weitere wichtige Mitarbeiter, die sich nach anderen Angeboten umsehen. Die Besatzung hinter den Kulissen des Theaters wird dünn.

Auch die künstlerische Leiterin des Jungen Schauspielhauses, Barbara Kantel, dürfte vor dem Weggang stehen. Beelitz will das Konzept der Jugendtheaterarbeit grundlegend verändern, nicht mehr alle Darsteller des Ensembles im Jungen Schauspielhaus spielen lassen, sondern der jungen Bühne wieder ein eigenständiges Ensemble verschaffen.

Diese Rückkehr zum traditionellen Jugendtheaterkonzept widerspricht der Theaterauffassung Kantels, die mit Holm angetreten war, um auch im jungen Haus Theater für alle Generationen anzubieten. Alle Darsteller aus dem Ensemble sollten an der Münsterstraße eingesetzt, Zuschauer jeden Alters für die Stücke gewonnen werden.

Nach schwierigem Start mit diesem auch logistisch schwierigen Konzept hatte Kantel zuletzt Erfolg mit ihrer engagierten, auch in schwierige Stadtteile zielenden Theaterarbeit. Derzeit darf sie keine Interviews geben, und die Theaterleitung hat ihr eine Frist bis Montag gesetzt, um sich zu entscheiden, ob sie unter radikal veränderten Bedingungen weitermachen will. Dieser Umgang mit der künstlerischen Leiterin einer Jugendsparte wird in der Theaterszene wie im betroffenen Haus mit Befremden wahrgenommen.

Auch auf der Bühne ist im Schauspielhaus ein dramatischer Umbruch zu erleben, das Ensemble ist auf derzeit 22 Mitglieder geschrumpft. Da will Intendant Beelitz nun als Erstes ansetzen und das Ensemble so schnell wie möglich wieder auf 30 feste Darsteller aufstocken. Darunter sollen auch Schauspieler sein, die früher in Düsseldorf auf der Bühne standen und beim Publikum beliebt waren. Darsteller wie Winfried Küppers, die noch in der Region wohnen und auch für eine Interimszeit wieder an ihr altes Haus zurückkommen würden.

Beelitz scheint von den Umwälzungen an seinem Haus wenig beeindruckt. Abgänge wie der seiner Chefdramaturgin seien bei einem Intendantenwechsel normal, sagt er. Bereits dem nächsten Spielplan will er seine eigenen Vorstellungen von "Theater für die Menschen" einschreiben. Die Absetzung der großen Produktionen aus dem Voigtländer Plan sollten ihm dafür wohl die Spielräume schaffen. Rollen, die noch zu besetzen sind, will er nicht durch Gäste bestücken, sondern Darsteller finden, die gleich ganz an sein Haus kommen. So soll in kurzer Zeit ein neues Ensemble entstehen.

Beelitz steht vor großen Herausforderungen. Er kämpft gegen eine historisch niedrige Auslastung und versucht, ohne Vorbereitungszeit im laufenden Betrieb die Riesenbühne auf neuen Kurs zu bringen. Die Stimmung unter den Mitarbeitern ist desolat, wie zu hören ist. Das Schauspielhaus hat den Ruf, schwer regierbar zu sein und ein anspruchsvolles, eher konservatives Publikum bedienen zu müssen.

Der frustrierte Abgang von Intendantin Amélie Niermeyer, das Burn-out ihres Nachfolgers Staffan Holm und zuletzt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Manfred Weber haben viele Vorurteile bestätigt. Nun verlässt mit Eva-Maria Voigtländer eine angesehene Theaterfrau die Stadt, die in einer langjährigen Theaterkarriere ihre Kompetenz längst bewiesen hat. Für den neuen Kurs von Günther Beelitz war sie nicht zu haben. Der setzt nun auf Leute seiner eigenen Wahl. Sein Vertrag läuft bis 2016.

(RP)
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