Düsseldorf Chinesische Kunst vom Trödelmarkt

Düsseldorf · Drei Wochen lang kaufte Tong Kunniao in Düsseldorf gebrauchte Gegenstände. Er verarbeitete sie zu skurriler Kunst.

 Der 26-jährige Tong Kunniao stellt in den Räumen der Galerie Setareh aus.

Der 26-jährige Tong Kunniao stellt in den Räumen der Galerie Setareh aus.

Foto: Andreas Bretz

Künstler aus Asien sind oft Nomaden. Sie ziehen von Land zu Land, mieten jeweils ein Atelier, besorgen sich an Ort und Stelle Materialien und legen los. Sie verkaufen ihre Werke dort, wo sie entstanden sind, und sparen dadurch Kosten für Zoll und Transport. Einer dieser unkomplizierten, praktisch denkenden jungen Chinesen ist der 26-jährige Tong Kunniao aus Peking. Drei Wochen lang sah er sich auf Düsseldorfer Trödelmärkten um, fügte einige Stücke aus dem Baumarkt hinzu und schuf daraus skurrile Kunstwerke, die die Deutschen in ihre Vergangenheit blicken lassen.

Auf hölzernen Podesten vom "Bauhaus" surren kinetische Objekte. Pinsel drehen sich auf Paletten, ein Rosenstrauß rotiert mit einem Kasper um die Wette, während über allem eine Eule auf einem Buch thront. Aus Mappen, wie sie früher im Büro geläufig waren, ragen Schallplatten, alte Fotos, Spielkarten und Bierdeckel. Ein Schaukel-Fußbänkchen aus Opas Zeiten trägt einen Globus, aus dem Messer, Pinsel und ein Steckenpferd-Kopf hervorstechen, dazu ein pinkfarbener Damenschuh. In einem anderen Ensemble vom Trödel fährt ein Puppenwagen auf einem hölzernen Beistelltischchen ständig ein paar Zentimeter hin und her, und eine ausgestopfte Krähe schaut vom Handgriff des Wagens zu.

Nähern wir uns diesem scheinbar absichtslosen Zerrspiegel einstigen Düsseldorfer Alltagslebens mit einem Vergleich: Was war anders, als Tong Kunniao zuletzt ein halbes Jahr in Paris verbrachte und dort ähnlich vorging wie in Düsseldorf? In Paris, wo er es auf Trödelmärkten auf amtliche Formulare abgesehen hatte, spürte er noch die Gefahr des Terrors, die über allem lag. "Düsseldort und Deutschland", so fügt Tong Kunniao hinzu, "sind sauberer und sicherer. Das spiegelt sich auch in meiner Kunst." In beiden Ländern habe er nach der gleichen Methode, jedoch in unterschiedlicher seelischer Verfassung gearbeitet: "In Paris war ich eine Taube, in Düsseldorf ein Hund."

Hund - das meint er nicht abwertend: "Ich fühle mich wie ein Hund, der nach Knochen sucht." Und da sei er in reichem Maße fündig geworden. Er sei eben neugierig auf alles, das es auf der Erde gibt. Zu reisen und dort auszustellen, wo er sich gerade aufhält, ist für ihn das Selbstverständlichste überhaupt.

Auch in China fühlt sich Tong Kunniao eigenem Bekunden nach wohl. Anders als ältere Landsleute versteht er sich nicht als politischer Künstler, sondern als einer, der in seiner Zeit lebt und den Betrachtern überlässt, was sie aus seinen Werken lesen: "Mein Stil ist: Ich mache alles" - Malerei, Installationen, Objekte, Skulpturen, Filme.

"Wenn ich ausschließlich in Deutschland lebte", so sagt Tong Kunniao, "würde ich wahrscheinlich nur malen." China aber dränge ihn dazu, in mehreren Medien parallel zu arbeiten: "In China ist alles in Bewegung, alles ist möglich. Und China wird immer stärker."

Aus diesem Gefühl wird auch Tong Kunniaos Kunst, die sich scheinbar nur mit Deutschland befasst, zu einem Spiegel chinesischer Gegenwart. Die Konsumgüter von einst, die der Künstler als Trödel erwarb, vermitteln, wie schnell Dinge nutzlos werden, wie rasch sich gesellschaftlicher Wandel vollzieht. "Die Dinge erzählen sehr viel über Kultur, über die Vergangenheit", stellt Tong Kunniao fest. "Sie sind Spuren." Und wenn er diese Spuren mit etwas Neuem arrangiert, das er im Baumarkt gekauft hat, dann hat seine Kunst ihr Ziel erreicht: "Genau das ist mein Thema." Tätige Beobachtung, keine Konsumkritik. Ungläubig schaut Tong Kunniao drein, als wir ihm erklären, dass wir unser Gespräch für einen Zeitungsartikel geführt haben. So etwas kennt er nur aus Erzählungen. "In Peking sieht man keine Zeitungen", sagt er. Und erfährt jetzt endlich, was es mit den zusammengeschnürten Papierballen auf sich hat, die hier und da auf Düsseldorfer Bürgersteigen seinen Blick fesselten. Sichtlich beruhigt den Künstler der Hinweis, dass der Bericht über ihn auch online zugänglich ist. Apropos, noch ein Unterschied zwischen Düsseldorf und seiner Heimat: "Draußen kommt man hier oft nicht ins Internet. Die ganze Zeit über habe ich keinen Film sehen können, weil die Verbindung nicht stand." Erstaunlich auch: Es gibt in Düsseldorf so wenig Leute auf den Straßen.

(B.M.)
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