Düsseldorf Chorleiter Ulrich Brall gestorben

Düsseldorf · "Wer von euch nach Venedig kommt und die Assunta ignoriert, ist unwürdig, dereinst das Angesicht Gottes zu schauen." Der markerschütternde Satz fiel stets in den Herbstferien, wenn der Chor des Düsseldorfer Görres-Gymnasiums und der Hofkirche St. Andreas zu Konzerten nach Venedig fuhr und in Santa Maria Gloriosa dei Frari Station machte.

 Ulrich Brall vor zwei Jahren in der Andreaskirche.

Ulrich Brall vor zwei Jahren in der Andreaskirche.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Dort hängt "Mariä Himmelfahrt" (die "Assunta"), das größte Ölgemälde Tizians. Ihr hingebungsvollster Verehrer war Ulrich Brall, der Chorleiter. Aus seinem Munde kam der Satz, und einige fürchteten sich sehr, manche mussten auch lachen. So war der Satz gedacht.

Dieses saftige Menetekel sagt alles über Brall. 42 Jahre dirigierte er von 1971 an diesen famosen Schulchor, der Kinder zur Kunst führte und mit den Meisterwerken der Chorliteratur konfrontierte. Um den Meistern zu dienen, war dem Lehrer Brall jedes erlaubte und auch grenzwertige pädagogische Mittel recht. Das jährliche Saint-Malo in der Bretagne war der Spektralpunkt seines Wirkens; es war Sommerfrische, Kunstübung und — für die Schüler — eine spezielle Form von Hafturlaub. Eindrucksvoll sind auch die Spuren seines heimischen Wirkens, etwa beim "Düsseldorf Festival!"
Was Brall, der oft Geehrte, tat, das tat er aus vollem Herzen. Er verschenkte sich; seine Hingabe an die Kunst hatte etwas Anspornendes. Viele Freundschaften sind in seinem Chor entstanden. Gestern ist Ulrich Brall 68-jährig seinem langen Herzleiden erlegen. Bei der heiligen Cäcilia ist ihm gleich nach seiner Himmelfahrt eine Audienz sicher — auch sie weiß, was er geleistet hat.

(RP)
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