Düsseldorf Das verschollene Album von Thomas Dinger

Düsseldorf · Der La Düsseldorf-Musiker Thomas Dinger produzierte kurz vor seinem Tod vor mehr als zehn Jahren ein Soloalbum. Es erscheint vorerst nur in Japan.

 Thomas Dinger im Jahr 1999 am Rhein, aufgenommen von seinem Bruder Klaus.

Thomas Dinger im Jahr 1999 am Rhein, aufgenommen von seinem Bruder Klaus.

Foto: Klaus Dinger

Manchmal gibt es solche Überraschungen, dann findet man eine Flaschenpost aus der musikalischen Vergangenheit. Gerade ist das wieder passiert, ganz unverhofft: Von Thomas Dinger erscheint nämlich eine CD mit unveröffentlichtem Material, das der Musiker, der einst bei Neu! und La Düsseldorf spielte, im Jahr 2000 aufgenommen hat — zwei Jahre, bevor er an einer Leberkrankheit starb.

Das Album ist schlicht "2000" betitelt. Auf dem Cover sieht man ein wehmütig verblasstes Polaroid, das Dingers großer Bruder Klaus 1999 gemacht hat: Es zeigt den damals 47 Jahre alten Thomas Dinger am Rhein, schon sehr krank, den Blick auf den Fluss gerichtet. Thomas und Klaus hatten 1975 auf der dritten und letzten Platte von Neu! zusammen gespielt, sie gründeten mit Hans Lampe die Band La Düsseldorf, deren Musik von David Bowie als "Soundtrack der 80er Jahre" bezeichnet wurde. Aber die Brüder stritten sich auch, heftig sogar, und Anfang der 80er Jahre floh Thomas Dinger nach Südfrankreich, um einfach mal seine Ruhe zu haben und ein Soloalbum zu produzieren.

"Für mich" erschien dann 1982, und das ist heute noch eine sehr schöne Platte, die in eine Reihe mit den Veröffentlichungen von Wolfgang Riechmann und Michael Rother passt. Was man da hört, ist in der Hauptsache melancholische, flächige Synthesizermusik mit Hang zum Elegischen, und die nun veröffentlichten Kompositionen auf der CD "2000" haben damit kaum mehr etwas gemein. Sie sind düsterer, dorniger, technoid. Nahe an dem, was man gemeinhin als Industrial bezeichnet. Sie sind großartig, und sie klingen, als seien sie eben erst entstanden und bei einem jungen Elektroniklabel wie Blackest Ever Black herausgebracht worden.

"Thomas veröffentlichte in den 90er Jahren mit seinem neuen Projekt 1A Düsseldorf Alben in Japan", erzählt Miki Yui, die mit dem 2008 gestorbenen Klaus Dinger zusammenlebte und nun das Erbe der Dinger-Brüder verwaltet. "Er schickte damals eine selbstgebrannte CD mit Stücken für ein zweites Solo-Album an sein japanisches Label. Die Platten von 1A Düsseldorf verkauften sich aber nicht mehr so gut, also zögerte die Firma. Und irgendwann ging sie pleite."

Ein früherer Mitarbeiter von Dingers Plattenfirma ist nun beim Label Suezan angestellt, das einige Produktionen aus dem Düsseldorf der 80er Jahre in Japan vertreibt; Platten von Der Plan etwa, Pyrolator und Andreas Dorau. Er fand die Sounddatei von Thomas Dinger, hörte das Album, von dessen Existenz kaum jemand weiß, und beschloss, es auf den Markt zu bringen.

Miki Yui unterstützt die Veröffentlichung, sie gab Polaroids für die Covergestaltung frei. Und sie half, die Stücke in eine Reihenfolge zu bringen, aus der sich ein roter Faden, eine Erzählung ergibt. Sie spricht mit so viel Zärtlichkeit von Thomas Dinger, dass man doppelt froh ist, ein Andenken in Händen halten zu dürfen. Eine "schöne und sensible Seele" sei er gewesen. Er habe sich eine Welt geschaffen mit einer eigenen Sprache, für die er ständig Wörter erfand. Zuletzt arbeitete er als Filmemacher, drehte Dokus über Künstler. Und obwohl er wenige eigene Stücke veröffentlichte, sei die Musik stets das Wichtigste für ihn gewesen. "Wir wissen nicht, warum wir leben, deshalb machen wir Musik", habe er gesagt.

Durch die Veröffentlichung von "2000" wird der Musikgeschichte Düsseldorfs ein Kapitel hinzugefügt. Bislang gibt es keinen Vertrieb für Europa. Wer die CD hören will, muss sie in Japan bestellen. Hoffentlich wird sie bald einer größeren Hörerschaft zugänglich gemacht.

(RP)
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