Düsseldorf Der Alptraum vom roten Teppich

Düsseldorf · Beim "Rundgang" der Kunstakademie wird Emile V. Schlesser eine Installation zeigen, die einen Gang über den roten Teppich simuliert.

 Animiert von einem eher frostigen Erlebnis bei den Filmfestspielen im französischen Cannes, hat Emile Schlesser für den Rundgang in der Kunstakademie ein Projekt ersonnen, das den Besucher selbst auf den roten Teppich führt. Am Ende des Ganges wartet auf jeden eine Überraschung, die aber nicht verraten werden soll. Schlessers Ziel wirkt menschenfreundlich: „Die Menschen sollen sich aufgewertet fühlen.“

Animiert von einem eher frostigen Erlebnis bei den Filmfestspielen im französischen Cannes, hat Emile Schlesser für den Rundgang in der Kunstakademie ein Projekt ersonnen, das den Besucher selbst auf den roten Teppich führt. Am Ende des Ganges wartet auf jeden eine Überraschung, die aber nicht verraten werden soll. Schlessers Ziel wirkt menschenfreundlich: „Die Menschen sollen sich aufgewertet fühlen.“

Foto: Endermann, Andreas

Wer beim Film arbeitet, träumt davon, mindestens einmal in seinem Leben über den roten Teppich zu stolzieren. Für Emile V. Schlesser hat sich der Traum erfüllt - und als Alptraum erwiesen.

 Einmal selbst im Rampenlicht: Für sein neues Projekt in der Kunstakademie (hier eine Animation) hat sich der aus Luxemburg stammende Künstler Emile Schlesser die Rheinische Post als Sponsor geangelt.

Einmal selbst im Rampenlicht: Für sein neues Projekt in der Kunstakademie (hier eine Animation) hat sich der aus Luxemburg stammende Künstler Emile Schlesser die Rheinische Post als Sponsor geangelt.

Foto: Emile Schlesser

Dabei wirkte doch alles so verheißungsvoll. Der heute 29-jährige Künstler und derzeitige Student an der Düsseldorfer Akademie war mit dreien seiner Kurzfilme in die Auswahl der Filmfestspiele von Cannes gelangt und damit auch zum Gang über den Teppich geladen. Doch er kam sich vor, als gehe es um alles andere, nur nicht um ihn. Die Meute der Paparazzi stürzte sich auf Brad Pitt und drückte bei denen, die folgten, ohne Ansehen der Personen noch einmal auf den Auslöser.

Schlesser merkte: Hier geht es weder um mich noch gar um meine Kunst; hier vollzieht sich ein Event, und das folgt unabhängig vom Anlass eigenen Gesetzen: Blitzlichtgewitter, kreischendes Publikum, eine Ehrung um ihrer selbst willen und im Schlagschatten von Brad Pitt. In Schlesser verstärkte das eine Depression. Der hehre, fast religiöse Traum vom roten Teppich entpuppte sich in seiner Verwirklichung als banal, ganz und gar weltlich, und diejenigen, die darüberschritten, wirkten austauschbar. Promis, so sagt der Künstler, seien auch Konsumartikel.

Beim bevorstehenden jährlichen Rundgang der Düsseldorfer Akademie will Schlesser das zweifelhafte Erlebnis des roten Teppichs allen vermitteln, die dafür einen Euro Eintritt zu zahlen bereit sind. Eine Installation führt die Besucher für eine Minute einzeln über den Teppich in einen Kasten, in dem das Rote-Teppich-Spektakel simuliert wird: Blitzlicht, Kreischen und ein beängstigender, nahezu unmerklicher Spezialeffekt, der hier noch nicht verraten werden soll. Im ersten Stockwerk der Akademie, gegenüber dem Rektorat, wird man Schlange stehen können, um zur Zielscheibe zu werden. Dabei wünscht Schlesser seinen Besuchern mehr, als ihm selbst widerfahren ist: "Die Menschen sollen sich aufgewertet fühlen." Zugleich betont er, dass ihm ein Moment besonders wichtig ist: derjenige, in dem die Atmosphäre kippt. Das Kreischen vom Audiochip könnte dann zum Kriegsgeheul werden.

Schlesser will sein begehbares Kunstwerk nicht als Anklage verstanden wissen, sondern lediglich als "stille Beobachtung". Dahinter steckt seine Faszination von Personenkulten, von Werten, die sich als nichtig erweisen, von Fotografen, die nicht wissen, wen sie da gerade ablichten. Schlesser ist sich im Klaren darüber, dass er in seiner Installation selbst genau den Effekt des Spektakulären nutzt, der ihn eigentlich befremdet. Doch er bekennt sich dazu, dass Kunst einen Unterhaltungscharakter habe: "Kunst darf nicht langweilen."

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Dieses Bekenntnis spricht auch aus seinen übrigen Werken: aus den Comics, die er nach seinem Abitur zeichnete, aus den Karikaturen, die er für Zeitungen entwarf, aus den oft witzigen Kurzfilmen, in denen vielfach sein Bruder Tommy auftritt, ein Comedian, der ihm zum Verwechseln ähnelt. Das Bekenntnis zur Kurzweil spricht auch aus Emile Schlessers Biografie. Geboren in Luxemburg, lebt er heute in seiner Heimat und in Düsseldorf, wo er seit 2006 studiert. Markus Lüpertz warf ihn aus seiner Klasse, weil Schlesser ihm zu sehr zum Film abdriftete und damit die traditionelle Königsdisziplin Malerei schmähte. Vor sechs Jahren wechselte er zu Marcel Odenbach und dessen Themen Video und Film. Da fühlt er sich erheblich wohler.

Für das nächste Jahr plant Emile Schlesser seinen Studienabschluss an der Kunstakademie. Schon jetzt aber ist er dem Studieren eigentlich entwachsen. Schließlich hat er bereits mehrfach in Hollywood gearbeitet, hat mit seiner Filmkunst Geld verdient und zur Genüge bewiesen, dass er auch ein gewiefter Manager in eigener Sache ist. Für den roten Teppich hat er die Rheinische Post als Sponsor geangelt.

(B.M.)
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