Düsseldorf Der Enthusiast von der Jugendbühne

Düsseldorf · Stefan Fischer-Fels will im Jungen Schauspielhaus starke Geschichten erzählen, doch in der vergangenen Spielzeit erlebte seine Bühne einen leichten Zuschauerschwund. Was der Theatermann in der kommenden Saison vorhat.

 Stefan Fischer-Fels ist Leiter des Jungen Schauspiels.

Stefan Fischer-Fels ist Leiter des Jungen Schauspiels.

Foto: Thomas Rabsch

Wer sein Programm ändert, braucht einen langen Atem. Das sagt der Leiter des Jungen Schauspiels, wenn man ihn danach fragt, warum die vergangene Spielzeit rein von den Zahlen her nicht ganz so erfolgreich war. Mit dem Nachdruck eines Ratsbeschlusses hatte Düsseldorf angeregt, dass die Kulturinstitutionen interkulturelle Aspekte in ihr Programm einfließen lassen, um der demografischen Wirklichkeit gerecht zu werden. Das hat Stefan Fischer-Fels getan, die Themen Flucht und Migration mehrfach im Spielplan aufgegriffen und die Aktivitäten international ausgerichtet.

Vielleicht, das räumt er ein, hat er manche Besucher damit überfordert. Am Ende aber zählten für den Erfolg nicht allein die verkauften Tickets, sondern auch die neuen Einrichtungen am Haus wie das Café Eden, das für Hunderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene eine feste Anlaufstelle, ein sympathischer warmer Ort der Zuflucht wurde. Auch die Gastspiele in fernen Ländern, die internationale Anerkennung, muss man erwähnen. Das Junge Ensemble gastierte in verschiedenen Erdteilen, auf einem der wichtigsten Festivals weltweit, in Japan, waren die Düsseldorfer jüngst mit "Adams Welt" zu Gast. Im September reisen sie nach Sao Paulo.

Der Erfolg der Theaterpädagogen kann sich ebenfalls sehen lassen. "60.000 Menschen haben wir auch durch deren Aktivitäten erreicht", sagt Fischer-Fels, er nennt die beiden Kollegen seine "mobile Partizipationsabteilung".

Blickt man nun mit dem vor etwas mehr als einem Jahr von Berlin nach Düsseldorf gekommen Theaterchef auf die beginnende Spielzeit, dann schwingt Enthusiasmus mit in jedem Satz des 53-Jährigen. Er will Höchstleistungen erbringen, Menschen bewegen, einnehmen. Gleich zum Auftakt, am 22. September, wird die Bedeutung klar, die junges Schauspiel in Düsseldorf hat. "Wir sind ein Haus", sagt Fischer-Fels, "und wir denken Theater aus einem Guss." Wenn die mehrfach ausgezeichnete Regisseurin Lisbeth Coltof Shakespeares Stück "Der Sturm" im Theaterzelt am Rheinufer einrichtet, dann tut sie dies für kleine und große Zuschauer ab neun Jahre. Als "urkomisch und sinnlich" wird das Bühnenspektakel für die ganze Familie angekündigt. Das Theaterzelt am Rhein als Spielort - eine Notlösung für das wegen Sanierung nicht bespielbare Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz - wird eine eigene Faszination ausüben.

Eitel Sonnenschein also in Düsseldorf, das stolz sein kann, eine eigene Bühne für Kinder und Jugendliche (in Trägerschaft von Stadt und Land) zu führen? Natürlich nicht. Fischer-Fels will noch viel mehr Kinder und Jugendliche erreichen und sie mit der Kraft von Geschichten starkmachen. Seit den ersten Pisa-Studien habe sich der Leistungsdruck an Schulen enorm erhöht, sodass manche Klassen keine Zeit mehr für den Theaterbesuch fänden. Das betrübt ihn. "Ich kämpfe um jedes Kind und jede Schule", sagt er. "Jedes Kind aus Düsseldorf sollte zweimal im Jahr das Theater besuchen." Um das zu verstärken, überlegt er, gemeinsam mit Michael Strahl, die Aktion "Theater auf Rezept" wiederzubeleben. Bei der von dem Düsseldorfer Hals-Nasen-Ohren-Arzt initiierten und vorangetriebenen Idee geht es darum, Kindern im Rahmen der fälligen U-Untersuchungen zusätzlich ein Rezept für Kultur zu geben. Statt Medizin wird per Gutschein ein Besuch im Jungen Schauspiel verordnet - gratis, eine Begleitperson darf auch noch mit.

Bundesweit hatte diese Aktion Aufsehen erregt. Um sie neu aufzulegen, müssen neue Sponsoren gefunden werden, die jährlich etwa 15.000 Euro in die Hand nehmen. Dass Theater wie Medizin wirken kann, steht für Fischer-Fels außer Frage. Er sagt: "Manchmal wirkt es nur homöopathisch, erst schmerzverstärkend, dann lindernd."

Ein besonderes Merkmal der Produktionen des Jungen Hauses sind Humor und Mitgefühl. "Das hilft", sagt der Chef, der selber nicht inszeniert. Im Repertoire der Erwachsenenbühnen ständen oft die großen menschlichen Tragödien im Mittelpunkt. "Bei uns ist das anders. In einer komplizierten Welt wollen wir auch Möglichkeiten anbieten, Hoffnung verbreiten. Dabei muss ein Happy End nicht zwingend sein."

Der Standort des Junges Schauspiels in einem Fabrikgebäude im Düsseldorfer Norden hat Vor- und Nachteile. Dass zu fast 100 Prozent drumherum Kinder mit Migrationshintergrund leben, erleichtert deren Anbindung an das Theater. Damit auch bürgerliche Familien vermehrt den Weg in die Münsterstraße finden, gibt es eine Reihe von Bemühungen zum Beginn der neuen Spielzeit. Die "Wunderbar" findet ihre Fortsetzung in der "Cafébar". Vor und nach den Vorstellungen wird ausgeschenkt, "zu kleinen Preisen, ohne Cola, biologisch korrekt". Um noch attraktiver zu sein, werden "Familiensonntage" und "Come together"-Veranstaltungen eingeführt. Im heiteren Austausch kann man zwei bis drei Stunden mit Führung im Jungen Schauspiel verweilen. Nach Umsetzung dieses Maßnahmenpakets wird Fischer-Fels sicher bald nicht mehr sagen müssen: "Wir sind in Shanghai berühmter als in Flingern."

(RP)
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