Düsseldorf Der Hitler-Darsteller aus dem Sudan

Düsseldorf · Heisam Abbas spielt im Schauspielhaus eine der drei Hauptrollen in Brechts Parabel "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui". Von dieser Woche an wird er außerdem in "Die Nibelungen" zu erleben sein.

 Schauspieler Heisam Abbas im Tanzhaus NRW.

Schauspieler Heisam Abbas im Tanzhaus NRW.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Nur wenige Schauspieler aus dem Ensemble können ihre Lust auf facettenreiche Rollen so ungezügelt ausleben wie Heisam Abbas. Er singt den Bass Robert Biberti in den "Comedian Harmonists", gibt einen von drei Hitler-Darstellern in "Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm" und beeindruckt mit Durchtriebenheit und vollem Körpereinsatz in Brechts satirischer Parabel "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui".

Volker Hesses Inszenierung polarisiert, was Heisam Abbas keineswegs als Nachteil empfindet. "Kontroversen im Theater sind doch gut", meint er. "Wir haben einiges an Arbeit geleistet, das Stück in die heutige Zeit zu übertragen, weil wir wegwollten von der reinen Hitler-Parodie. Dafür liegt der Fokus auf rechtspopulistischen Tendenzen, mit denen wir gerade wieder so erschreckend konfrontiert sind."

Bei den Proben, insbesondere über Silvester, sei diese Stimmung spürbar gewesen. "Hysterie und Angsttreiberei haben uns stark beschäftigt. Deshalb versuchten wir, sie in diese Arbeit zu kanalisieren und hatten den Wunsch, unser Anliegen würde verstanden. Damit die Zuschauer uns folgen und zum Mitdenken und Mitfühlen angeregt werden." Der Bühnenraum im Central wird bei "Arturo Ui" über Stege nach allen Seiten und auf mehreren Ebenen bis hoch hinauf ausgenutzt, was den Schauspielern waghalsige Balanceakte abverlangt. "Am Anfang war´s gewöhnungsbedürftig, jetzt geht´s", sagt Heisam Abbas. "Aber besser, man ist schwindelfrei."

Kaum hatte er diese wuchtige Rolle gestemmt, mutierte er vom Gangsterboss zum strahlenden deutschen Helden schlechthin: Er spielt den Siegfried in Hebbels Geschichtsepos "Die Nibelungen", Premiere ist am 11. März. "Den vermeintlich strahlenden Helden", korrigiert Heisam Abbas sofort. "In diesem Drama sind alle Personen zwiespältig." Die anderen Schauspieler hatten bereits mit den Proben begonnen, als er nach der Premiere von "Arturo Ui" dazukam. "Ja, es war ein harter Schnitt, da reinzuspringen und mich nach dem großen Brecht-Klopper in dem Gefüge zurechtzufinden", bestätigt er. "Ich merkte aber, wie es Schritt für Schritt besser gelang."

Dennoch ist er froh, dass ihm Luft blieb für das Formen seiner Figur. Ganz glatt verlief die Arbeit nicht: Regisseur Dietrich W. Hilsdorf erkrankte während der Proben, darauf übernahm Kurt Josef Schildknecht die begonnene "Nibelungen"-Inszenierung. "In der Geschichte, die dort verhandelt wird, gibt es viele Bezüge zum zweiten Weltkrieg", sagt der Schauspieler, "den Kadavergehorsam, die Treue bis in den Tod." Ginge es darum, Kriemhild zu freien und Brunhild zu erobern, werde die Dominanz der Männergesellschaft verdeutlicht: "Die haben nach Gutdünken um Frauen und Besitztümer geschachert."

Heisam Abbas ist in Karlsruhe geboren und aufgewachsen. Der Name ist arabisch, sein Großvater väterlicherseits kam aus dem Sudan zum Studium nach Deutschland. "Bei uns zu Hause gab es immer viel Musik, Literatur und Film. Reichlich Stoff, um kulturell angefüttert zu werden", erzählt er. Mit vier Jahren wollte er zum Ballett, blieb dabei bis zur Pubertät. Er wirkte bei Kindertheater- und Laienspielgruppen mit und wusste bald, dass es ihn in die künstlerische Richtung zog.

"Einen Plan B gab es nicht, obwohl ich für die Schauspielschule mehrere Anläufe brauchte. Aber ich ließ mich nicht so schnell entmutigen. Ich wollte das unbedingt." Die Zeit bis zum Studium in Rostock überbrückte er als Regieassistent, Hospitant und Abendspielleiter am Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Erfahrungen, die der Schauspieler später einmal gern für eigene Regiearbeiten nutzen möchte. Sein erstes Bühnen-Engagement hatte er in Wuppertal und kam von dort 2014 nach Düsseldorf.

Ganz egal, wie es ab Sommer für ihn weitergehen wird: In NRW will Heisam Abbas bleiben. "Ich versuche Lebensumstände zu finden, die zu diesem Entschluss passen", sagt er. "Wir haben hier eine einzigartige Theaterlandschaft, erst recht in Verbindung mit dem Tanztheater. Da ergeben sich immer wieder reizvolle Chancen auf interdisziplinäres Arbeiten."

(RP)
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