Düsseldorf Der Walzerkönig als Herzensbrecher

Düsseldorf · André Rieu bewies in der Mitsubishi Electric Halle wieder einmal: Er ist der absolute Routinier in Sachen Publikumsinteraktion. Am Ende stand ein beachtlicher Marathon an Zugaben.

Dieses soll kein normaler Freitagabend werden. Es deutet sich schon in der S 6 nach Oberbilk an, als das winzige Erste-Klasse-Abteil aus allen Nähten platzt. Der Grund der ungewöhnlichen Gemengelage: André Rieu ist in der Stadt. 3500 Menschen pilgern in die bestuhlte Mitsubishi Electric Halle, um den Stargeiger aus Maastricht mit dessen Johann-Strauss-Orchester zu erleben. Manche lassen sich von Tochter und Enkeltochter zum Konzert bringen - andere nehmen ihre Abkömmlinge trotz der enormen Ticketpreise einfach mit.

Man schmilzt zur Puccini-Arie "Nessun Dorma" dahin, versetzt sich mit den Comedian Harmonists ins Berlin der zwanziger Jahre und stimmt den zur Fußball-Hymne umfunktionierten Walzer Nr. 2 von Schostakowitsch an. Rieu muss sich dabei längst nicht mehr als Violin-Virtuose profilieren, stattdessen verkörpert er den absoluten Routinier in Sachen Publikumsinteraktion. Dass er sich dabei zielsicher von einer Plattitüde zur nächsten hangelt: geschenkt. Aussprüche wie "Musik verbindet", "Musik macht glücklich" und "Musik überwindet Grenzen" werden zustimmend beklatscht - und immerhin lässt sich ihnen das gewisse Quentchen Wahrheit selten absprechen.

Der Walzer aller Walzer, "An der schönen blauen Donau" von Johann Strauss, deutet schließlich das nahende Ende des Abends an. Rieu fordert energisch zum Tanz auf, und immerhin ein gutes Dutzend findet sich paarweise vor der Bühne ein. Dem Rest fällt das Stillsitzen schwer. Es wird geschunkelt, gesummt und mitgepfiffen.

Wie sehr ihm das Publikum tatsächlich zu Füßen liegt, verdeutlicht erst der ausgiebige Zugaben-Marathon. "Volare (Nel blu dipinto di blu)" kehrt als Teil eines Potpourris ständig wieder, bei "Griechischer Wein" zeigen die Großleinwände ein Foto von Udo Jürgens. Auf der Bühne finden sich alle Solisten ein, stoßen mit Prosecco an und animieren zum Winken. Einzelne Besucher winken gar mit Krücken zurück. "Ihr geht jetzt schlafen!", fordert Rieu die Menge mehrfach auf, um sich ein langgezogenes "Nein!" zurückzuholen. Plötzlich regnet es bunte Ballons von der Decke: Höhepunkt eines denkbar trivialen, aber überaus unterhaltsamen Szenarios.

Am Ende sucht manch weiblicher Anhänger den Bühnenrand auf, um dem Angebeteten einen Strauß Rosen oder gleich eine ganze Torte zu überreichen. Der Walzerkönig bedankt sich flüchtig, weist süffisant auf seinen Wohlstandsbauch hin und grüßt zum Abschied. Er entlässt das Publikum mit einer Fülle beschwingender Ohrwürmer in die Nacht.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Alles Theater
Was es am Düsseldorfer Schauspielhaus zu sehen gibt Alles Theater
Zum Thema
Aus dem Ressort