Düsseldorf Die dunklen Augen von Marlon Brando

Düsseldorf · Angelo Novi fotografierte in den 60er und 70er Jahren am Set legendärer italienischer Regisseure. Die Galerie Rupert Pfab zeigt seine großartigen Ansichten von Marlon Brando und anderen Stars.

 Marlon Brando bei den Dreharbeiten zu "Der letzte Tango in Paris" (1972) von Bernardo Bertolucci. Im Vordergrund: Maria Schneider mit Hut und Federboa.

Marlon Brando bei den Dreharbeiten zu "Der letzte Tango in Paris" (1972) von Bernardo Bertolucci. Im Vordergrund: Maria Schneider mit Hut und Federboa.

Foto: Angelo Novi / Galerie Rupert Pfab

Man kann gar nicht sagen, ob da ein im Herzen Versehrter guckt, ob das ein wehmütiger oder verletzter Blick ist oder ob da jemand schaut wie das Raubtier vor dem Sprung, wie ein Vampir, bevor er zuschlägt. Man steht lange vor diesem irren Bild, es zeigt Marlon Brando zu Beginn der 70er Jahre, als er "Der letzte Tango in Paris" drehte. Er fixiert die junge Schauspielerin Maria Schneider, man erkennt sie zunächst gar nicht, sie trägt einen Hut mit breiter Krempe und eine Federboa, und sie ist nur ein Schemen im Bildvordergrund.

 Der 25 Jahre alte Gérard Depardieu in der Kulisse von "1900".

Der 25 Jahre alte Gérard Depardieu in der Kulisse von "1900".

Foto: Angelo Novi/ Galerie Pfab

Angelo Novi hat das Foto gemacht, der 1997 gestorbene Italiener war Stammfotograf an den Filmsets von Bernardo Bertolucci, Pier Paolo Pasolini und Sergio Leone, und er zeigt, was man in den Filmen nicht sieht: die Abgründe zwischen den Bildern. Novi lebte abseits des römischen Trubels auf dem Land, und nach seinem Tod fand sein Enkel Max Pietro Hoffmann Dutzende Fotos im Bettkasten des Großvaters. Gemeinsam mit Eike Walkenhorst und Mira Herrarte hat er daraus eine sehr sehenswerte Ausstellung kuratiert, die nun bei Rupert Pfab zu sehen ist.

 Claudia Cardinale 1968 am Set von "Spiel mir das Lied vom Tod".

Claudia Cardinale 1968 am Set von "Spiel mir das Lied vom Tod".

Foto: Angelo Novi /Galerie Pfab

Novi begann als Fotoreporter bei Tageszeitungen, Spezialthema Reisen, er wollte die Welt sehen. Einmal setzte er sich aufs Motorrad und fuhr bis in den Iran, um Farah Diba zu fotografieren. Er war Kommunist, verstand sich als Arbeiter, und er liebte das abenteuerliche Denken, wie der Enkel berichtet. Einmal fotografierte er Pasolini, und weil Pasolini ihn mochte und im selben Haus wie Bertolucci wohnte, empfahl der eine ihn dem anderen - so landete Angelo Novi beim Film. In dem Dorf, in dem er damals lebte, gab es nur ein Telefon, es stand in einer Bar, und wenn Bertolucci anrief, um Bescheid zu geben, dass es wieder losgehe, rannte die Kellnerin durch den Ort und rief: "Angelo, der Maestro will dich sprechen!"

Novi war dabei, als "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968) gedreht wurde, bei "Mamma Roma" (1962), "Es war einmal in Amerika" (1984) und "Himmel über der Wüste" (1990). Man betrachtete ihn als Freund, und deshalb verstellten sich die Stars nicht vor seiner Kamera. Novi fotografierte die vor sich hinträumende Claudia Cardinale, den jungen und erschöpften Gérard Depardieu am Set von Bertoluccis "1900". Und wenn man mit Novis Enkel durch die Ausstellung geht, erfährt man die Geschichten dahinter. Die Dreharbeiten zu "1900" etwa zogen sich über 40 Wochen, der Film dauert schließlich 302 Minuten, und kurz bevor Francis Ford Coppola zum Dreh von "Apocalypse Now" aufbrach, besuchte er Bertolucci, sah ihn an und sagte: "Mein Film wird eine Minute länger als deiner." Er kam indes nur auf 202 Minuten.

Novi spielte Karten mit den Beleuchtern, er hatte ein Faible für die einfachen Leute, die um Punkt 17 Uhr Feierabend machten. Und er inspirierte mit seinem Stil die Regisseure, aus deren Werk er ja eigentlich schöpfen sollte. Die Vorliebe für extreme Close-Ups und die harten Kontraste übernahm schließlich auch Sergio Leone. Und der völlig verzückte Bertolucci sagte über Novis Bilder: "Du stiehlst mir die schönsten Momente."

Novi war ein Dieb des Augenblicks. Sein Meisterwerk ist das Bild von Brando, dieses Porträt eines Schauenden. Das Foto zeigt etwas Vorübergehendes, befreit von der Vergänglichkeit.

(hols)
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