Düsseldorf Die Eltern der "Wunderbar"

Düsseldorf · Traudl und Harry Peters betreiben den Ausschank im Jungen Schauspielhaus. Sie sind für viele im Düsseldorfer Stadtteil Rath Helden des Alltags.

 Die "Wunderbar" im Jungen Schauspielhaus von Traudl und Harry Peters.

Die "Wunderbar" im Jungen Schauspielhaus von Traudl und Harry Peters.

Foto: Sebastian Hoppe

Sie war als Steuerfachgehilfin tätig, er 44 Jahre als Maschinenschlosser. Traudl (65) und Harry (68) Peters sind ein Vorzeigepaar. Ein Jahr nach dem Kennenlernen, 1967, haben sie schon geheiratet. Damals mit Zustimmung des Vaters, weil die Braut noch nicht volljährig war. Bald feiern die Peters Goldene Hochzeit, aber das ist nur am Rande dieser Geschichte über Helden des Alltags interessant, die hier eigentlich erzählt werden soll.

Daher die Lovestory im Schnelldurchgang: Traudl, die damals in Wuppertal lebte, machte mit ihrer Freundin einen Ausflug nach Zons, die jungen Damen waren in Flirtbereitschaft, wer wollte mit 18 keinen Freund finden? Auf einem Rheinbrückenpfeiler waren die Adressen von zwei Unbekannten eingeritzt. Die schrieben sie übermütig auf und nahmen die Zettel mit nach Wuppertal. Es könnte ja ein Wink des Schicksals sein. Sogleich setzte sich Traudl hin und sandte einen Brief an einen ihr noch unbekannten Harry Peters, der postwendend - auf lila Briefpapier - antwortete. (Den Brief bewahrt man im Hause Peters bis heute auf wie einen Schatz. )

Schnell trafen sich die jungen Leute in Düsseldorf, wo Harry lebte. Er war 1,98 cm groß, schwarzhaarig, hatte einen guten Job in der Glashütte und ein Auto. "Das war für mich der Knaller", sagt Traudl Peters. Dabei leuchten ihre Augen heute noch. Ihr Glück hat sich gehalten. Das Leben hat es gut mit ihnen gemeint, wenn ihr Kinderwunsch auch unerfüllt blieb. Vielleicht können nur Menschen, die so stark lieben, auch so viel Liebe weitergeben.

In der "Wunderbar", die Traudl und Harry seit neun Jahren betreiben, kostet der Kakao 1,50 Euro, das Glas Sekt gibt es für drei und ein Bier für zwei Euro, was vor allem die Studenten freut. Die Preise sind moderat, um Gewinn geht es nicht. Und doch erwirtschaftet man in Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins ein kleines Plus, das sogleich wieder eingesetzt wird, um Gutes zu tun. Zum Beispiel einer Kita-Gruppe, die es sich nicht leisten kann, Eintrittskarten für eine Vorstellung zu schenken.

Die improvisierte Kleinstwirtschaft mit dem wunderbaren Namen, von dem niemand weiß, wo er herkommt, ist ein mit Kulissen von "Hamlet" aufgehübschter Ausschank des Jungen Schauspielhauses. Traudl und Harry, wie sie alle im Stadtteil Rath und im Theater rufen, haben dem Büdchen eine Seele verliehen. Sie organisieren nicht nur den Einkauf, sondern stehen allabendlich, umringt von weiteren freiwilligen Helfern, hinter der Theke. Sie haben auch ein offenes Ohr für alle Menschen, die sich hier einfinden. Das sind die Kinder und Mütter des Stadtteils, der zu fast 100 Prozent von Familien mit Migrationshintergrund geprägt ist.

Gäste in der "Wunderbar", die manchmal mehr Kummerkasten oder Freudsche Couch als Ausschank ist, sind auch die jungen und älteren Zuschauer, die aus der Stadt herausfahren. Nicht zu vergessen die Schauspieler, die Lampenfieber haben oder sonstige Nöte plagen. Einer zum Beispiel aus dem Ensemble des Jungen Schauspiels ist verheiratet mit einer Schauspielerin. Das Paar hat zwei Kinder, eines ist noch klein. Da geraten vor dem Hintergrund von familienunfreundlichen Probenplänen die häuslichen Abläufe schon einmal durcheinander. Wenn dann bei Traudl Peters das Handy klingelt, agiert sie sofort als Ersatzoma. Sie holt den kleinen Gustaf vom Kindergarten ab, oder sie kocht Mittagessen für ihn. Auch Harry springt ein als Ersatzopa, er beschäftigt den Jungen, im Sommer liegen sie zusammen im Garten, gerade hat er mit ihm für seine Familie den Tannenbaum ausgesucht.

Zehn Stunden sind Peters pro Woche mindestens im Einsatz, bei Sonderveranstaltungen zählen sie die Stunden nicht. Viele wollen in der netten Atmosphäre bei ihnen feiern. Einmal haben sogar die Grünen ihren Neujahrsempfang im Jungen Schauspielhaus gegeben, Peters haben fürs leibliche Wohl gesorgt. Parteivorsitzender Cem Özdemir war damals Gast vom Ehepaar Peters. Selbst Peter Maffay war schon zu Besuch in der "Wunderbar". Vor ein paar Jahren, als er in seiner Funktion als Schirmherr mit Ärzten Theater auf Krankenschein für Kinder verhandelte. "Niemand hatte ihn angekündigt", sagt Traudl Peters. Daher war sie ausnahmsweise nicht vor Ort. Ärgerlich. Wo sie doch ein großer Maffay-Fan ist.

Warum sie das alles tun, wo sie doch ihre wohlverdiente Rente genießen könnten, ohne rechts und links von Gerresheim zu schauen? Es ist ihr eigener Beitrag zur Integration, eine Geste der Mitmenschlichkeit. Sie tun es für die Kinder, für die die "Wunderbar" mit all ihren Aktivitäten eine Art Sozialstation mit Vollpension darstellt.

In manchen Schulklassen lernen heute 17 Nationen miteinander, viele Lehrer sind überfordert. "Bei uns sind die Kinder glücklich", sagt Harry Peters, "weil sie sich entfalten können." Seine Frau ergänzt: "Sie liegen uns am Herzen. So wie wir uns in fremden Ländern Kultur anschauen, so müssen sie unsere Kultur kennenlernen. Kinder sind unsere Zukunft. Viele reden von Integration", sagt sie, "es ist besser, etwas zu tun."

Engagement ohne Lohn ist eine feine Sache. Und manchmal springt ja doch unerwartet etwas dabei heraus. Vor wenigen Tagen haben die Kinder aus Rath ihrer Ersatzmutti Traudl eine Weihnachtsfeier ausgerichtet, sie haben Kuchen gebacken, gebastelt und für sie gesungen. Das hat Frau Peters sehr berührt. Längst spricht sie von "unseren Kindern", es sind fast 35 an der Zahl, die sie neun Jahre schon kennen und betreuen. Es ist eine voll integrierte Kleinfamilie in der großen heterogenen Theaterfamilie, die viele Väter hat. Die Intendanten, die Ehrenamtler und die engagierten Gruppen aus dem Evangelischen Erwachsenenbildungswerk.

"Sie sind die Guten", hat neulich jemand über das Ehepaar Peters gesagt. Das Lob war hoch verdient. Es hat sie tief berührt. Traudl Peters sagt: "Unser Lohn ist das Glück der Kinder. Sind sie glücklich, sind auch wir glücklich."

(RP)
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