Düsseldorf Die leise Kunst der Agnes Martin

Düsseldorf · Die Werke der Malerin mit ihren geometrischen Grundmustern sind Meditationen über Schönheit und Glück. Sie male mit dem Rücken zur Welt, hat sie einmal gesagt. Im K20 sind ihre Bilder jetzt zu erleben.

Ein Hauch von Rokoko hängt in der Luft. Die rosa-blauen Farben wirken wie gepudert, so matt und zart, dass man kaum zu atmen wagt. Dann auf tiefem Schwarz leuchten weiße Striche in langen Kolonnen. Sind es Sterne, oder ein geheimnisvoller Code?

"Meditationen über Unschuld, Schönheit, Glück und Liebe" sah Agnes Martin in ihren mit Emotionen aufgeladenen Gemälden. Und tatsächlich. Steht man vor ihnen, ist es wie ein Ausflug ans Meer, das mit seiner Weite die Sinne stimuliert und die Welt draußen vergessen lässt. In Sachen Weltabgewandtheit konnte der 1912 in Kanada geborenen Martin keiner etwas vormachen. Immer wieder zog sie sich zurück von der Kunstszene New Yorks, wo sie 1941 als ausgebildete Lehrerin zum Studium der Kunst kam. Ihr Studio bewohnte sie im gleichen Viertel wie Robert Indiana oder Mark Rothko. Sie freundete sich mit Ellsworth Kelly und Ad Reinhardt an. In diesem Biotop des Abstrakten Expressionismus fand sie zu ihrer Bildsprache. Geometrische Grundmuster wiederholte sie, meist auf quadratischem Format, fast in kontrollierter Trance. Horizontalen treffen auf vertikale Linien. Häufig gehen sie in Gittermustern auf. Aber auch Punkte, markiert durch Stecknadeln, kommen parallel zu Bleistiftlinien zum Einsatz. 1967 zieht Martin endgültig in ein Lehmhaus in New Mexico. Sie verliert für mehrere Jahre das Interesse am Malen, studiert die fernöstliche Philosophie und sucht nach einem anderen Zugang: "20 Jahre habe ich gebraucht, um völlig nicht-objektiv malen zu können", fasst sie später zusammen. "Ich male mit dem Rücken zur Welt."

Und doch auch immer mit dem Betrachter vor ihrem geistigen Auge. Denn den wollte sie mit ihrer Kunst aktivieren. "Man wird leichter und leichter und möchte nichts anderes mehr. Jeder, der eine Weile auf einem Stein auf einem Feld sitzen kann, kann auch meine Bilder anschauen."

Martin habe zwar schon früh viel Bewunderung ihrer Künstlerkollegen und von Galeristen gefunden, sagt Kunstsammlungschefin Marion Ackermann. "Auf der anderen Seite ist sie heute einem breiten Publikum als Name nicht wirklich bekannt." Das Werk könne man nur erfahren, wenn man sich sehr viel Zeit nehme, um die Subtilität zu erkennen.

Als sie 2004 mit 92 Jahren stirbt, liegt gerade eine neue Schaffensphase hinter ihr: schwarze Pyramiden mit gelben Spitzen. Oder Quadrate, die sich wie in einem Duell gegenüberstehen. In der ersten Retrospektive nach ihrem Tod folgt nun die Kunstsammlung NRW als zweite Station nach der Tate Modern in London dem Werdegang Martins entlang von 130 Gemälden, Zeichnungen, druckgrafischen Arbeiten und selten gezeigten Skulpturen. Martins Versuch, sich aus dem Diskurs der Moderne herauszuhalten, war vergeblich. Warum das ein Glücksfall ist, lässt sich jetzt in dieser leise berauschenden Hommage studieren.

(RP)
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