Düsseldorf Die Momente, in denen Kunst entsteht

Düsseldorf · "Work in process": Erika Kiffls fotografische Arbeiten aus der Künstlerszene stellt das Museum Kunstpalast aus.

Ein bisschen Ai Weiwei zeigt Düsseldorf punktgenau zu dessen Ausreise aus China im öffentlichen Raum. Anlässlich der Ausstellung von Erika Kiffl hat man ihr Foto von ihm aufs Eingangsbanner im Ehrenhof gesetzt. 1995 besuchte die Chronistin mit der Kamera den damals noch nicht so berühmten Chinesen in seinem Pekinger Atelier. In den Neunzigern blickte er noch unbekümmert in die Kamera. Als unaufgeregte Zeitaufnahme betrachten wir das Bild heute, dezent, schwarz-weiß. Der Künstler wirkte jugendlich. Die zwanzig Jahre haben ihn verändert.

"Eine Fotografie ist eine Nachricht, immer von Vergangenem, dessen verhaltene, erstarrte Posen wir mitten in der Gegenwart treffen". Das sind die treffenden Worte der Schriftstellerin Ingrid Bachér, abgedruckt im Katalogbuch zu dieser Ausstellung, die im Grafikkabinett des Museums Kunstpalast einen denkbar großen Kontrast zu den Szenarien von Wim Wenders bilden, die zurzeit im Haupthaus zu sehen sind.

"Work in process" überschreibt Erika Kiffl ihre 100 Arbeiten umfassende Bilder-Reise in die Vergangenheit. Sie führt zurück in die Zeit des Aufbruchs, als die Nachkriegsgeneration begann, die Kunst neu zu formulieren. Viele ihner Vertreter arbeiteten im Umfeld der Düsseldorfer Akademie. Kiffl hat sie in ihren Ateliers besucht. Und war dabei nicht auf Porträts aus. Sie wollte vielmehr die Situation und den Raum erfassen, in dem Kunst entsteht. Sie war Jägerin und Spurensucherin des kreativen Moments. Erika Kiffl glaubt wie Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler ist. Sie glaubt weiter, dass der Künstler ein Katalysator der Gesellschaft ist. Um komplexe Prozesse ging es bei ihren Atelierbesuchen. Als Dokument entsteht am Ende das quadratische schwarz-weiße Foto. Es trägt die feine schwarze Umrandung des Negativs als Echtheitsbeweis, es ist unbearbeitet und mit reinem Tageslicht aufgenommen.

Nur einmal in den mehr als 50 Jahren hat sie eine Ausnahme gemacht. Auf Besuch bei Gerhard Richter, der damals noch in Düsseldorf lebte, legte sie einen Farbfilm ein. Im Jahr 1967 war das, der Maler arbeitete an seinem berühmten Akt "Diana". Die Serien, die die Fotografin schuf, sind anders als ihre unmelancholischen Bilder. Bei Richter, so hat man den Eindruck, hat sie Empfindungen zugelassen. Malerisch in der Wirkung sind diese Serien, Kiffl hat nah am Menschen fotografiert. Formal findet beinahe eine Verschmelzung zwischen der Dokumentaristin und dem Modell statt. Eine singuläre kostbare Werkreihe ist es, die offenbar über Jahrzehnte verschlossen in einer Schublade ruhte.

Andere Serien berichten von anderen Ländern, von China, Polen und Österreich. Auch die Rundgänge in der Düsseldorfer Kunstakademie hat Erika Kiffl immer wieder besucht, um an immer wieder denselben Orten Beobachterin zu sein. Zu jedem ihrer Fotos gehört eine Geschichte, die die 75-jährige Fotografin gerne zum Besten gibt. Etwa die, dass ihr der Maler Gotthard Graubner einmal gesagt hat, dass ohne die ihm von der Stadt zur Verfügung gestellte Halle niemals seine großen Kissenbilder hätten entstehen können.

Erika Kiffl ist mit dieser ersten musealen Einzelausstellung in Düsseldorf an ihrem Ziel. Sie hat nie Beachtung für sich gefordert, sondern sie schenkt sie den Künstlern. Jetzt gelten ihr die Bravos. Ihr zweites Lebenswerk ist das 2003 von ihr mitbegründete Archiv künstlerischer Fotografie der rheinischen Kunstszene (AFORK). Das hat längst seine Heimat und Fürsprecher im Museum Kunstpalast gefunden.

Bei der Ausstellungseröffnung versprach Generaldirektor Beat Wismer, für einen permanenten Ausstellungsraum zu kämpfen. Ohne Kiffls Engagement, so Wismer, gäbe es AFORK nicht. Erfreut nahm die Fotografin das Kompliment entgegen, die es im Übrigen mit Ausstellungsmacher Harald Szeeman hält und sagt: "Wo Obsession nicht spürbar ist, brauche ich mich nicht aufzuhalten."

(RP)
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