Düsseldorf Die Regie führt diesmal ein Halbgott

Düsseldorf · Über die Neuinszenierung von Richard Wagners "Rheingold" wurde im Ibach-Saal des Stadtmuseums gestritten.

 Besucher und Experten im Gespräch über "Rheingold".

Besucher und Experten im Gespräch über "Rheingold".

Foto: Anne Orthen

Die erste Premiere des neuen "Ring" der Rheinoper ging insgesamt geräuschlos über die Bühne, auch wenn man vereinzelte Buhrufe hörte. Der Richard-Wagner-Verband nahm die Inszenierung von Dietrich W. Hilsdorf zum Anlass, einen öffentlichen Dialog zu veranstalten. Im gut gefüllten Ibach-Saal des Stadtmuseums traf das Publikum auf drei Experten: Hella Bartnig, Chefdramaturgin der Rheinoper, Wolfram Goertz, Musikredakteur der Rheinischen Post, und Jürgen Schläder, ehemals Professor für Musiktheater an der Münchner Universität.

"Düsseldorf hat 25 Jahre auf diesen Ring gewartet", hieß es zu Beginn, und nun wollte man herausfinden, wie "Rheingold", der Vorabend des Bühnenfestspiels, bei den Opernbesuchern bisher angekommen ist. Im Publikum gaben sich drei unterschiedliche Gruppen zu erkennen. Die erste wollte sich ihre Eindrücke "einfach mal von der Seele reden". Die zweite bestand aus erfahrenen Wagnerianern, meist auch Mitglieder des Wagner-Verbands, und konnte Vergleiche zu früheren Inszenierungen ziehen. Bei einer kleinen dritten Gruppe stand der Opernbesuch noch bevor, sie erwartete vor allem Hintergrundwissen.

"Es geht nicht darum, was der Regisseur gedacht hat, sondern was Sie selbst empfinden", ermunterte Schläder die Gäste im Ibach-Saal. Danach ging es eine ganze lange Weile um die Eingangsszene. "Aus den Tiefen des Es-Dur-Dreiklanges entsteht zu Beginn des ,Rheingold' die Welt der gesamten ,Ring'-Tetralogie", heißt es im Programmheft. Diese Tonart und das Heine-Zitat: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten" führten zu angeregtem Wortwechsel.

Die zweite Debatte entzündete sich an der Frage, warum in dieser Inszenierung die Rolle des Halbgottes namens Loge so sehr in den Mittelpunkt gerückt wurde. Wie ein allmächtiger Theaterregisseur, so hieß es, beherrsche er das Geschehen. Hierbei zeigte sich ein alter Konflikt unter Theaterbesuchern, egal ob Schauspiel oder Oper. Die einen fordern Texttreue ein, "ein Reclamheftchen mit Musik und Beleuchtung", wie das einmal ein Dramaturg spöttisch formulierte. Ihre Begründung: Nur wer ein Stück wenigstens einmal "ohne Schnickschnack" gesehen habe, könne dann die Launen der Regisseure sinnvoll einordnen. Die anderen sehen sich in dieser Frage ein paar Erkenntnisstufen weiter.

Natürlich waren unter den Gästen auch solche, die den "Grünen Hügel" aus eigener Anschauung kennen. Einige hatten dort sogar 1976 den "Jahrhundertring" von Patrice Chéreau gesehen. Der damals erst 31-jährige Franzose ging davon aus, dass Wagner seine eigene Zeit im Gewand des Nibelungen-Mythos spiegelte und durch diese poetische Verfremdung die ökonomischen und geistigen Umbrüche des 19. Jahrhunderts umso präziser fassen konnte. In der aktuellen "Rheingold"-Frage konnten die Experten helfen. Hella Bartnig und Wolfram Goertz hatten bereits während der Probenzeit mit Hilsdorf über bestimmte Details seiner Inszenierung gesprochen. Die Chefdramaturgin: "Für Hilsdorf ist das Schwierige, dass alle immer schon alles wissen."

Nach gut zwei Stunden endete der lebhafte Dialog. Mit Reich-Ranickis Brecht-Zitat könnte man resümieren: "Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen."

(RP)
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