Düsseldorf Durs Grünbein lässt seine Erinnerungen frei

Düsseldorf · Der Dichter las im Heine-Haus aus seinem neuen Band "Die Jahre im Zoo". Darin zeichnet er das Porträt einer Kindheit in Dresden.

Das Buch "Die Jahre im Zoo", das Durs Grünbein jetzt im Heine-Haus vorstellte, ist im vergangenen Jahr erschienen und wird von der Kritik als neues Meisterwerk des Dichters gepriesen. Dass das Buch "autobiografisch" sei, wie in vielen Rezensionen zu lesen war, dagegen wehrt sich Grünbein jedoch heftig. "Autobiografie ist Indiskretion, Dichtung ist verschlossener", sagte Grünbein im Gespräch mit dem Journalisten Hubert Spiegel. Wenn dies zutrifft, dann ist bereits der Umschlag des 400-Seiten-Bandes eine Indiskretion. Auf einem Foto aus dem Privatalbum der Familie Grünbein sieht man dort einen Jungen stolz vor einem schönen Auto aus den 60er Jahren in die Kamera blicken. Tatsächlich verarbeitet der Dichter seine Kindheitserinnerungen zu einem kunstvoll gefertigten Kaleidoskop und präsentiert sich dem Leser in drei gleichermaßen faszinierenden Rollen: als Lyriker, als Essayist und als Zeitforscher. Grünbeins Hilfsmittel sind unter anderem historische Postkarten, die sich überall im Buch finden. Ein Kaleidoskop ist neben Lokomotive und Luftgewehr auch ein Spielzeug des jungen Durs.

"Mit der Verlässlichkeit von Erinnerungen ist es, wie jeder aus Erfahrung weiß, nicht weit her", lautet der erste Satz des Buchs. Gleichwohl ist das, was folgt, nach Grünbeins Worten nur "ein erstes Herauslassen aus einem riesigen Archiv, das über viele Jahre entstanden ist". Es geht hierbei nicht um chronologische Ordnung: "Erinnerungskeime" bilden die Anlässe für das Erzählte. Auf der ersten großen Reise etwa ersteht Grünbein in Budapest Kafkas "Schloss" und die Briefe an Felice, zwei Ausgaben aus einem Westverlag und damit Trophäen für den DDR-Bürger.

Durs Grünbein wuchs im Dresdener Randstadtteil Hellerau auf, wo 1909 die erste deutsche Gartenstadt gegründet wurde. In ihr realisierten namhafte Architekten wie Richard Riemerschmid ihre baulichen Ideen, die mit alternativen Lebensmodellen einhergingen. "Meine erste Welt, mein verwunschenes Hellerau" heißt es im Buch und noch viel später als Erwachsener wird der Autor "überwältigt vom Heimatgefühl". Im Heine-Haus bestätigte Grünbein die Vermutung, dass der Buchtitel "Die Jahre im Zoo" seine Besuche im geliebten Dresdner Zoo mit dem Eingesperrtsein der DDR-Bürger überblendet. Es geht in dem Band also nicht nur um das Porträt einer Kindheit, sondern auch das einer geschichtsbewegten Stadt.

(RP)
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