Düsseldorf "Eat Art" - Erinnerungen an das Restaurant Spoerri

Düsseldorf · Die Ausstellung im Museum Kunstpalast lässt die wilde Zeit um 1970 noch einmal lebendig werden.

"Pfefferkuchen, glasiert", heißt das Werk von Roy Lichtenstein aus dem Jahr 1971, das derzeit im Kunstpalast zu betrachten ist.

"Pfefferkuchen, glasiert", heißt das Werk von Roy Lichtenstein aus dem Jahr 1971, das derzeit im Kunstpalast zu betrachten ist.

Foto: Horst Kolberg

Daniel Spoerri gilt als Erfinder der "Eat Art", einer aus Lebensmitteln erzeugten Kunst. In seinem 1968 am Burgplatz gegründeten Restaurant traf sich die damals so progressive Düsseldorfer Kunstszene. Joseph Beuys, Günther Uecker, André Thomkins und viele andere aus dem Umfeld der Akademie gönnten sich in der Kunstkneipe eine warme Mahlzeit, diskutierten am Tresen - und stellten ab 1970 dann schließlich auch in der angeschlossenen Eat Art Galerie aus.

Neben dem berühmten Creamcheese, das mit seiner wilden Mischung aus Bar, Disko und Kunstgalerie alle Genre-Grenzen sprengte und weit über das Rheinland hinaus Akzente setzte, gab es in Düsseldorf also plötzlich ein weiteres Bohème-Lokal.

Die Ausstellung im Museum Kunstpalast (Spot on: Eat Art) lässt die wilde Zeit noch einmal lebendig werden. In einem einzigen Raum drängen sich sechzig Werke aneinander, und folglich ist es hier beinahe so eng wie anno 1968 in der überfüllten Eckkneipe.

Dass die Künstler jener Jahre mit Humor zu provozieren wussten, wird beim Rundgang durch die kulinarisch inspirierte Schau deutlich. Neben den Skulpturen aus Schokolade von Bernhard Luginbühl weist ein übergroßer Daumen von César aus gehärteter Bonbonmasse gen Himmel. Uecker spickte ein Unterhemd mit Nägeln, Beuys hängte Fischgräten an die Decke, Richard Lindner formte aus Lebkuchen eine seiner typischen Sexbomben und versiegelte das Lustobjekt mit einer Glasur aus bunten Pop-Farben ("Der blaue Busenengel").

Spoerri muss ein genialer Verführer gewesen sein, denn es gelang ihm, viele namhafte Künstler für sein Eat-Art-Konzept zu gewinnen. Die nahmen die Herausforderung an und reagierten mit Witz und Kreativität. Immerhin konnte man nebenbei noch den hehren Ewigkeitsanspruch der Kunst in Frage stellen.

Oder die Grenzen des guten Geschmacks testen: Die von Carlo Schröter erfundenen Spoerri-Suppen enthielten nämlich ein animalisches Angebot, das Tierschützern bestimmt den Magen umdrehte. Ob in den liebevoll gestalteten Konservendosen tatsächlich Bären, Löwen und Kamele eingekocht waren, verrät ein kleines Büchlein, in dem die Geschichte dieser Suppen verzeichnet ist. Eine Kollektion der exotischen Konserven ist in der amüsanten Schau zu besichtigen.

Fotos aus der Zeit gibt es auch noch (von Walter Vogel): Auf diesen wird die Atmosphäre im Künstler-Eck ganz besonders anschaulich. Man erkennt Gabriele Henkel, Spoerri, Konrad Klapheck und Katharina Sieverding, die hinter der Theke am Zapfhahn stand.

Die Objekte aus Schokolade, Lebkuchen oder Kaugummi stammen aus der Kollektion von Carlo Schröter, der damals Leiter des Restaurant Spoerri war. Seine Eat Art Sammlung - ein Stück Zeitgeschichte - wurde jetzt vom Museum Kunstpalast angekauft.

(RP)
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