Düsseldorf Ein Cyborg-Labor im Tunnel

Düsseldorf · Köpfe, Daumen und andere Gliedmaßen aus Silikon: Künstler Malte Bruns zeigt im KIT eine kreative Gruselkammer mit Installationen.

 Der Schöpfer des Gruselkabinetts: Malte Bruns lehnt seine Motive gerne an Popkultur und Horrorliteratur an.

Der Schöpfer des Gruselkabinetts: Malte Bruns lehnt seine Motive gerne an Popkultur und Horrorliteratur an.

Foto: Jana Bauch

Nach dem Abstieg vom Mannesmannufer in den Untergrund des KIT steht man mitten in einem Labor, dessen Versuchsanordnungen aus einem Frankenstein-Film stammen könnten: Isolierte Gesichter, die wie Masken von der Tunnel-Decke hängen, zuckende Waden und ein Karussell fahrender Daumen, der verdammt echt aussieht. Der junge Künstler Malte Bruns präsentiert uns seine Ideen auf Labortischen, mit Beamern und Videos.

In der Zusammenschau gesehen, vermitteln die Installationen das Bild einer entgleisten Geisterbahn in einem Special-Effect-Studio. Doch wie immer lohnt sich der Blick aus der Nähe. Dann wird nämlich deutlich, dass es dem Künstler nicht darum geht, den Betrachter mit billigen Schock-Effekten zu unterhalten oder zu verstören. Bruns erinnert uns vielmehr an die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers, an seine Grenzen und seine Funktionalität.

Wer schon einmal im Fitness-Studio einzelne Muskelgruppen trainiert hat, begreift den Unterschied zwischen der "Optimierung eines bestimmten Körperteils" und einer Fahrradtour, die den Einsatz des ganzen Körpers fordert. Mit Humor greift der Meisterschüler von Georg Herold diese funktionale oder schulmedizinische Betrachtung des Körpers auf, indem er Füße, Gesichter, Hautlappen isoliert, aufschneidet oder im Kreis fahren lässt. Wer dabei jetzt an Gunther von Hagens' "Körperwelten" denkt, übersieht einen wesentlichen Unterschied. Von Hagens plastiniert Leichen, und er entblößt die Anatomie seiner Schauobjekte bis ins Mark. Malte Bruns fertigt seine Körperteile hingegen aus Silikon, und er lenkt unsere Aufmerksamkeit nicht in die Tiefe. Stets sind es die Oberflächen, die verletzt sind.

Die Haut als Grenze von Innen- und Außenwelt wird so zum Anschauungsobjekt und zum künstlerischen Material. Auch das Fragmenthafte und das Künstliche, das man von den Cyborgs des Actionkinos kennt, kommt in einer bewegten Figur gleich am Eingang des Tunnels zum Ausdruck. Hier kann man durch die aufgesprungene Haut ins Innere schauen, wo sich der Mechanismus befindet, der das künstliche Wesen auf Trab bringt. Das Thema von der Verschmelzung des Menschen mit der Technologie wird hier recht anschaulich.

In einem Video von 2015 versuchen zwei Hände, etwas Unbekanntes in der Tiefe zu erfassen. Mit dicken Gummihandschuhen bekleidet greifen sie in eine dunkle, teerartige Flüssigkeit (schwarze Gelatine) hinein, als suchten sie im Schlamm nach dem Ursprung des Lebens. Ähnlich wie Goethes Faust scheint sich Bruns mit der Frage herumzuplagen, was die Welt wohl im Innersten zusammenhält.

"Es sind Rätsel, die ich gefunden habe und die man nicht lösen will", sagt der Künstler zu seinen Konstruktionen. Das große Ganze liegt nämlich - wie man im KIT überdeutlich sehen kann - in Stücken und Fragmenten. Auch dies wäre ein Interpretationsansatz für die abwechslungsreiche Multimedia-Ausstellung, die mit ihrem rauen Charme aus digitalen und materiellen Elementen bezaubert und nachdenklich stimmt. Gelungen ist auch die Mixtur von Digitalästhetik und dem scheinbar unaufgeräumten Laborcharakter mit all den Kabeln, Klebebändern, Leuchtstoffröhren und Lichtgittern.

Der Ausstellungstitel "Tremors" deutet auf das lateinische "tremere", zu Deutsch "zittern", hin. In der Medizin wird so ein unwillkürliches, sich rhythmisch wiederholendes Zusammenziehen von Muskelgruppen bezeichnet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort