Düsseldorf Eine Tosca zum Schwärmen

Düsseldorf · Die Sopranistin Ainhoa Arteta sang die Titelrolle in Puccinis Musikdrama an der Oper am Rhein. Es wurde ein ganz großer Abend.

 Die spanische Sopranistin Ainhoa Arteta feiert Erfolge an den großen Häusern der Welt.

Die spanische Sopranistin Ainhoa Arteta feiert Erfolge an den großen Häusern der Welt.

Foto: Rheinoper

Als Ainhoa Arteta die ersten, zarten Töne der berühmten Arie "Vissi d'arte" (ich lebte für die Kunst) anstimmt, dieses innig verzweifelte Gebet am Wendepunkt der "Tosca", erfüllt augenblicklich ein unsichtbares Fluidum namens Betörung auch das hinterste Eckchen des Saales. Wie andächtig, mit zurückgehaltenem Atem, lauscht das Publikum in der Rheinoper dem großen Moment in Puccinis Musikdrama. Bebt mit der Erniedrigten, lehnt sich auf gegen die Ausweglosigkeit, gegen Scarpia, den Schuft und Folterer. Lässt sich mitreißen von der brennend schönen Melodie hinein in die Seligkeit des Ausdrucks. Ainhoa Arteta weiß ihr Publikum an ihren Lippen, schwingt sich hinauf und hinab in all die vielen, wunderbaren Register ihres Instruments. Und wird förmlich überwältigt vom Orkan der Begeisterung, der endlich über sie hereinbricht. Die "Tosca" ist wieder da, die Wiederaufnahme der schon fast historischen Hilsdorf-Inszenierung an der Deutschen Oper am Rhein war nicht nur nahezu ausverkauft, sie geriet zu einem ganz großen Abend.

Der Coup, die vielfach ausgezeichnete, an den großen Bühnen der Welt Erfolge feiernde spanische Sopranistin an den Rhein zu holen, geht auf. Noch zwei weitere Male wird Ainhoa Arteta im Januar die Heldin des Puccini-Dramas nicht nur mit ihrer kostbaren Stimme auskleiden, sondern ihr auch den vor Emotion glühenden Körper leihen. Man muss das erleben, wie sie im wallenden, grünsamtenen Cape in die Kirche wogt, in der ihr Geliebter, der Maler Cavaradossi, mit Revolte beschäftigt ist. Diese glühenden Augen, diese vor Eifersucht rasende Liebe, diese Leidenschaft - Arteta ist die mit allen Attributen einer Diva begnadete Künstlerin. Und das Zentrum der nach wie vor irritierenden Hilsdorf-Inszenierung.

Der große Regisseur, einst als Enfant terrible und Stückezerstörer gehasst und gefeiert, hat 2002 diese "Tosca" behutsam, aber sehr nachdrücklich der Beschaulichkeit entrissen. Der Mann, den die Deutsche Oper am Rhein den für 2017 angekündigten "Ring" schmieden lässt, entwickelt aus einem ungemein musikalischen, geradezu pittoresken ersten Kirchen-Akt ein immer mehr aus Ort und Zeit fallendes Psychodrama mit barbarischen Zügen. Während Cavaradossi (hier der mit edlem Metall begnadete russische Tenor Mikhail Agafonov) zu Beginn noch vom Gerüst in Sant'Andrea della Valle die berüchtigten Augen (der Angelotti) malt, die als Roter Faden des Bühnenbildes von Johannes Leiacker auch auf Mord, Hinrichtung und Selbstmord des Finales herabblicken, bringt Hilsdorf Puccinis Vorlage nach der Pause gehörig durcheinander. Palast und Folterkammer sind nicht mehr getrennt, ein skurriler Klempner repariert im Hintergrund jenes Waschbecken, in das Tosca sich später angeekelt übergeben wird. Zur Hinrichtungsszene in der Engelsburg heben sich die Wände in den Bühnenhimmel, als sei die Bühnen-Illusion der Feind der Wahrheit.

Umso eindringlicher kann in dieser aus den Fugen gerissenen Welt Scarpia wüten, den Hilsdorf in einen grauen Filzanzug quetscht, der ihn noch normaler, widerlicher erscheinen lässt. Anooshah Golesorkhi prägt mit großer Schauspielkunst und fulminantem Bariton diese Figur, der sich in einer der packendsten Szenen des Abends die Tosca hilfesuchend an die Brust wirft. Nun mag man bedauern, dass Hilsdorf die Wiederaufnahme nicht begleitet hat, dass die Probenzeit nicht reichte für ausgefeiltes Rollen-Management. Und so sieht man manchmal die Solisten etwas tapsig, dabei aber als gewiefte Bühnentiere agieren. Doch das tut der grandiosen Leistung aller Beteiligten keinerlei Abbruch. Diese "Tosca" festigt den hohen Rang der Rheinoper im nun wahrlich nicht konkurrenzlosen deutschen Opernbetrieb.

(RP)
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