Düsseldorf Galerie der Gegenwart in der Kunstakademie

Düsseldorf · Die Räume sind ab Mittwoch geöffnet zum Rundgang. Das Niveau der Arbeiten ist durchweg hoch. Es gilt die künstlerische Freiheit.

 Andreas Gursky (M.) in seinem Klassenraum mit (v.l.) Anna Vogel, Isabella Fürnkäs, Alexander Follenz und Tim Löhde.

Andreas Gursky (M.) in seinem Klassenraum mit (v.l.) Anna Vogel, Isabella Fürnkäs, Alexander Follenz und Tim Löhde.

Foto: Andreas Endermann

Am Tag vor dem Akademierundgang hängt frischer Farbgeruch in den Fluren. Leises Hämmern hier und da, Musik sorgt für gute Stimmung. Publikum ist auch schon da, Flaneure der Kunst, sprich Sammler, einige Galeristen und Professoren ziehen durch die Räume, sondieren die Lage. Wie gut steht die Akademie 2014 da — nach dem Rektorenwechsel von Tony Cragg zu Rita McBride, der sich beinahe geräuschlos vollzog?

Der erste und nachhaltige Eindruck ist: Die Akademie steht besser da als je zuvor, professioneller, prickelnder, aufgeräumter, konzentrierter. Das Staunen über die Güte dieser Galerie der Gegenwart beginnt im ersten Raum und lässt bis zum Ende kaum los. Mit leisen Tönen überraschen die Aquarelle von Helena Biermann (26) aus der Klasse Katharina Fritsch. Reduzierte Farben wählte sie für eine Winterlandschaft zwischen Münsterland und Niederrhein. "Das Aquarell ist das Einfachste nach der Zeichnung", sagt sie selbstbewusst. Ihre weltberühmte Professorin mache ihr Mut zum figurativen Arbeiten.

 Oliver Blumek vor seinem Bett mit Felsgestein und Wärmelampe.

Oliver Blumek vor seinem Bett mit Felsgestein und Wärmelampe.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Mit Kalkül ist Peter Müller (32) an die Arbeit gegangen, die er zur Erlangung seines Meisterbriefes vorstellte. Dass er Cragg-Schüler ist, ist unverkennbar, betrachtet man die elastische Ausformung seiner Plastik. Doch er hat aggressives Potenzial in diese Arbeit gebracht, Hunderte scharf zugeschnittene Holzstücke stehen dafür, dass vor wenigen Monaten in Berlin ein Mann fast totgeprügelt wurde. Der Angreifer und sein Opfer, ein zweiter Beteiligter — dieses Szenario des Grauens über ein Metallskelett verbaut. Die die schrecklichsten Bilder transzendierende Skulptur ist angeleuchtet, um die Theatralik zu verstärken. Gänsehaut inklusive.

 Wanda Koller in ihrer Rauminstallation "Conclusion" mit Sitzkissenlandschaft.

Wanda Koller in ihrer Rauminstallation "Conclusion" mit Sitzkissenlandschaft.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Heterogener können Abschlussarbeiten nicht sein: In der Klasse von Rita McBride erlangt Wanda Koller (26) ihr Examen mit einer Installation. "Conclusion" besteht aus einer Kissenlandschaft, dem Halbrelief eines Gehirns an der Wand und einer Projektion, die sich darauf abspielt. Geistreich und formal bestechend hat Koller das Thema Vernetzung und Gemeinsamkeit gelöst.

 Peter Müller hat seine Plastik "Funny Games Friedrichstraße" genannt.

Peter Müller hat seine Plastik "Funny Games Friedrichstraße" genannt.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Strenger ist Oliver Blumek (25) vorgegangen, der sich sicher sein kann, dass sein Lehrer Martin Gostner die Freiheit der Kunst und die freie Wahl der Mittel hoch hält. Manch einem ist sein Aquarium noch vor Augen — jetzt gibt es ein mit Wärmelampe versehenes Bettgestell, in dem tonnenschwere Steinbrocken gelagert werden — frei zur Assoziation. Der Künstler denkt an die Erweiterung des Begriffes "Bett", der Betrachter womöglich an tonnenschwere Alpträume.

"Es gibt nichts, was es nicht geben darf", sagt Andreas Gursky, der mittlerweile 17 Studenten in seiner freien Klasse zählt, von denen die Foto- und Videokünstler in der Minderzahl sind. Doch sind sie natürlich da, der kleine Vorraum ist mit einer allumfassenden erzählerischen Video-Installation bestückt. Wenn Fotos, dann sind sie sehr reduziert, daneben trifft man auf eine Sound-Installation im Stil des Beuys-Rohres an der Düsseldorfer Kunsthalle. In den Cross over zusammen gepuzzelten Gursky-Räumen färbt im Grunde der Stil des Meisters am wenigsten ab, und wenn, dann nur auf die fotogafischen Arbeiten.

Eigentlich möchte man Malte Bruns (29) eher der Gursky-Klasse zuordnen, tatsächlich ist er Absolvent bei Georg Herold. Magisch sind seine Foto- und Videoarbeiten, von höchster Fantasie initiiert und doch in ein strenges Format kondensiert: Klein ist das Video einer Frau, die an ihrem Auge herummanipuliert, sie drückt offenbar eine Linse raus oder rein, dazwischen wird ihr Auge milchig-weiß, tot, erschreckend. Luis Bunuels vom Messer zerteiltes Auge kommt einem in den Sinn. Bruns untersucht das Sehen und das Nichtsehen, selbst im Traum befasst er sich mit dem Visualisieren von Welt. Das hohe Akademiefenster hat er mit Folien verklebt, die Landschaft der Rocky Montains nach Düsseldorf verbracht. Es sind ungewöhnlich sensitive Arbeiten.

Neben diesen ausgewählten Werken steht eine Hundertschaft weiterer Einzelarbeiten und Ausstellungsinszenierungen in einzelnen Klassen: sehr beeindruckend die Schüler des Dresdner Malers Eberhard Havekost und des für den Turner Prize nominierten Schotten Peter Doig. Der Däne Tal R hat wie immer die größte Strahlkraft an Farben an seine Studenten weitergegeben. Bei Katharina Grosse empfängt einen ein durch den gesamten Raum gespanntes rotes Band — es folgt der Form ihres malerischen Duktus. Mal sind die Studenten mehr, mal weniger an ihren Lehrern orientiert. Die Ergebnisse sind überraschend weltläufig, was der Internationalität der Professoren geschuldet ist. Mit McBride soll mehr digitale Technik in die Hochschule einziehen, das wird man im nächsten Jahr bestaunen können.

(RP)
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