Düsseldorf Die zwei Seiten des Krieges

Düsseldorf · Im Hauptmann-Haus sind Bilder von Kriegsfotografin Gerda Taro zu sehen. Dazugestellt ist der Nachlass von Alfred Kantorowicz.

 Kämpferin auf hohen Absätzen: Diese Aufnahme von Gerda Taro zeigt eine republikanische Milizionärin beim Kampftraining, 1936, in der Nähe von Barcelona.

Kämpferin auf hohen Absätzen: Diese Aufnahme von Gerda Taro zeigt eine republikanische Milizionärin beim Kampftraining, 1936, in der Nähe von Barcelona.

Foto: Taro/ International Center of Photography New York

Macht es Sinn, heute noch von vergangenen Kriegen zu berichten? Von Konflikten wie dem Spanischen Bürgerkrieg, der 1939 nach drei Jahren mit dem Sieg von Diktator Franco und der Niederlage der demokratisch gewählten Republikaner ausging? Es macht Sinn, sagt die Ausstellungsleiterin im Gerhart-Hauptmann-Haus, Katja Schlenker, denn die aktuelle Weltlage bringt den Krieg aus der Vergangenheit wieder erschreckend nah in unsere Gegenwart zurück.

Im Spanienkrieg erfuhr der Widerstand große Unterstützung durch die kommunistische Internationale. Flüchtlinge und Emigranten aus vielen Ländern traten an, um sich Francos Putschisten entgegenzustemmen. Die Hälfte dieser Kämpfer, mehr als 50.000 Menschen waren auf der Widerstandsseite unter Waffen, starben an den Fronten. Hunderttausende Zivilisten ließen ihr Leben. Mehr noch als die erste Internationalisierung eines Bürgerkrieges als historischer Fakt interessieren die Archivalien. In den Kriegen des 20. Jahrhunderts wurde schon reichlich fotografiert, von Kriegsteilnehmern auf der einen Seite und von Beobachtern mit der Kamera auf der anderen, den Kriegsreportern.

Eine fast vergessene Fotografin, die an der Seite ihres berühmten Partners Robert Capa arbeitete, hat den Krieg aus der ersten Reihe mit den Augen einer modernen Frau jener Zeit in Szene gesetzt und auf hunderten Filmrollen verewigt. Gerda Taro war stets nah dran, physisch wie psychisch. Und sie hat ganz normale Momente aus einem Leben herausgepickt, das zwar unter außergewöhnlichen Vorzeichen ablief, doch selbst im Krieg sein Recht auf Lächeln, Spielen oder Liebe wahrnahm. Wenn die Taro und ihr Freund Capa, mit dessen Signatur ihre Fotos oft versehen wurden, dasselbe Motiv auswählten, kamen zwei unterschiedliche Sichtweisen heraus. Er fokussierte den Blick, sie beleuchtete auch das Umfeld, die Menschen, die Szenerie.

Bei einem ihrer Einsätze ist die kühne Frau umgekommen, von einem Panzer wurde sie 1937 überrollt, nachdem sie von dem Trittbrett eines Lkw abgerutscht war, mit dem sie aus der Kampfregion flüchten wollte. 27 Jahre war die Jüdin mit ostgalizischen Wurzeln damals alt, in Stuttgart geboren, in Leipzig aufgewachsen, zeitig aus Nazi-Deutschland nach Paris geflohen, wo sie in einem Café Robert Capa kennenlernte. Sie wurden ein Paar, und er hat ihr das Fotografieren beigebracht. Fortan machten sie das meiste zusammen, zogen in den Spanischen Bürgerkrieg, um die Geschehnisse zu dokumentieren und um ihr Leben zu verdienen.

In internationalen Zeitungen und Magazinen wurden ihre Fotos abgedruckt, am prominentesten war eines von Gerda Taro im französischen Magazin "Regards" auf der Titelseite publiziert. Es ziert die Ausgabe vom 10. Juni 1937: Menschen drängeln sich hinter Gittern, die ein Krankenhaus verbarrikadieren. Sie schauen aufgeregt, besorgt, neugierig und gespannt auf Transporte von Schwerverletzten aus den jüngsten Kämpfen. "Guernica, Almeria, was kommt morgen?" So lautet die verkaufsträchtige Schlagzeile jener Jahre. Taro ist ein eindringliches Massenfoto gelungen, das den Gemütszustand der Menschen betont und die Zeit krass koloriert.

An anderer Stelle hat sie eine Soldatin mit Pistole belauert, eine schöne Frau mit Absatzschuhen, in Hock-Position, im Profil. Wird sie abdrücken? Es sieht ganz danach aus. Oder da stehen Männer in der Abendsonne aufgereiht, von unten aufgenommen. Sie lächeln fast. Vielleicht träumen sie mal nicht vom Krieg, sondern stellen sich schon den Waffenstillstand vor. Es sind Aufnahmen voller Poesie, so merkwürdig das klingen mag angesichts der bleiernen Zeit.

Dem Werk der Fotografin hat Kurator Benedikt Behrens ein Konvolut aus dem Nachlass von Alfred Kantorowicz gegenübergestellt, der 1936 als Jude in den internationalen Brigaden kämpfte, ab 1937 an der Front nördlich von Cordoba. Am selben Ort war Gerda Taro unterwegs - der Kontrast der Aufnahmen kann größer nicht sein: Hier die düsteren Schnappschüsse aus dem Schützengraben, dort die sorgfältig beleuchteten Erzählungen von den Augenblicken im Ausnahmezustand - die zwei Seiten des Krieges.

Gerda Taro wurde wie eine Heldin beerdigt, auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris folgten 10.000 Menschen ihrem Sarg. In Leipzig ist eine Straße nach der Widerstandskämpferin benannt. Eine Erinnerung an sie, deren Hauptwerke sich im New Yorker International Center of Photography befinden, ist lehrreich und erbaulich.

(RP)
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