Lang Lang in der Tonhalle Gib Gas, ich will Spaß!

Düsseldorf · Der chinesische Pianist Lang Lang und das National Symphony Orchestra aus Washington gastierten unter Leitung des Dirigenten Christoph Eschenbach in der Tonhalle. Es erklangen Werke von Richard Wagner, Edvard Grieg und Ludwig van Beethoven.

 Der Pianist Lang Lang und der Dirigent Christoph Eschenbach feuern einander beim Grieg-Klavierkonzert an: Temperamentvoll soll es sein!

Der Pianist Lang Lang und der Dirigent Christoph Eschenbach feuern einander beim Grieg-Klavierkonzert an: Temperamentvoll soll es sein!

Foto: susanne Diesner

Heute müssen wir uns mit dem Phänomen des Männertanzes beschäftigen und schauen dazu nach Norwegen. Dort gibt es einen Tanz namens Halling, der ziemlich athletische Einlagen verlangt. Wie man aus dem Land der Trolle hört, muss ein Tänzer zum Höhepunkt der Vorführung einen Hut, den ein anderer Tänzer mit einer Stange in die Höhe hält, mit dem Fuß herunterfegen. Zu beneiden, diese Norweger! Gern möchte man eine hurtige Route in den Norden buchen, um den Halling persönlich in Augenschein zu nehmen.

Hohe Schlagzahl, schnelle Schrittfolge, maskuline Präsentation

Dieser Tanz ist dem vielseitig gebildeten und interessierten chinesischen Pianisten Lang Lang offenbar bekannt. Jedenfalls weiß er, dass Edvard Griegs Klavierkonzert a-Moll vom Rhythmus eines Halling inspiriert ist: hohe Schlagzahl, schnelle Schrittfolge, maskuline Präsentation. Lang Lang spielt das Werk in der Tonhalle nicht friesisch-herb, nicht zurückhaltend nordisch eingedunkelt, sondern wie ein Überfallkommando und sehr mondän, als ob Sergej Rachmaninow hier seine Finger im Spiel gehabt hätte.

Das verträgt das Werk nicht immer gut, doch weil Lang den Aspekt des Glamours sehr überzeugend vertritt, kommt man nicht durchgehend ins Grübeln, ob der hollywoodeske Gestus auch angemessen ist. Großartig ist ja, dass Lang in der Musik, wenn er sie schon zum Thriller verwandelt, nicht wühlt, sie nie mit Pedal aufpumpt, sondern sie mit durchtrainierter Akrobatik und verblüffender Klarheit in die Tasten wuchtet. Seine Oktaven sind unerbittlich und wie mit Klarlack überzogen; die Geläufigkeit ist funkelnd. Motto: Ich geb Gas, ich will Spaß!

Notorisches Augenrollen wie im Privatfernsehen

Selbstverständlich kehrt Lang zwischendurch auch den versonnenen Lyriker heraus, eine Rolle, die ihm nicht so gut liegt. Er nimmt dann das Tempo aus der Musik, verbreitert die lineare Struktur und spielt so sentimental und pseudo-ergriffen, wie er in diesen Momenten auch vom Klavier in den Saal guckt. Dieses notorische Augenrollen gehört doch in die Kategorie der Laiendarsteller im Privatfernsehen; solche Allüren hat dieser wunderbar begabte und seriöse Pianist gar nicht nötig: jeder im Saal glaubt ihm seinen Tiefsinn, seine Musikalität und seine pianistische Kompetenz, und zwar uneingeschränkt.

Umgeben wird dieser eindrucksvolle Grieg von zwei Meisterwerken, die ebenfalls dem Thema Tanz huldigen. Ludwig van Beethoven wusste nichts davon, dass seine 7. Sinfonie ein gewisser Richard Wagner mal die "Apotheose des Tanzes" nennen würde; beide Komponisten stellen wir uns ja eher als beinharte Nicht-Tänzer vor. Aber Wagner hatte schon Recht: Beethovens Siebte folgt einem elementar dynamischen Impuls, zumal sie keinen echten langsamen Satz besitzt. Legendär sind die Aufnahmen von Carlos Kleiber und René Leibowitz.

Christoph Eschenbach dirigiert National Symphony Orchestra Washington

Für den Dirigenten Christoph Eschenbach, der das National Symphony Orchestra Washington dirigiert, handelt es sich bei der Siebten um eine Komposition unter dem abgewandelten Motto fürs Orchester: Gebt Gas, ich will Spaß! Die Schubkraft, die Eschenbach den Sätzen abverlangt, ist enorm; man erlebt tatsächlich jenen Drive, der Beethoven vorgeschwebt haben muss. Dabei ist Eschenbach nicht zimperlich; mit acht Kontrabässen sorgt er für einen wuchtigen Tortenboden, doch man staunt, wie elastisch und wendig das Orchester bei dieser Mannschaftsstärke spielt. Es handelt sich erkennbar um ein sehr gutes Orchester, wenngleich der Abstand zu den amerikanischen Spitzenorchestern deutlich wahrnehmbar ist.

Die Streicher beispielsweise sind nicht immer tadellos zusammen; und das Blech neigt gelegentlich zum Lärmen; zudem mangelt es an klanglicher Balance, was natürlich auch aufs Konto des Dirigenten geht. Eschenbach neigt dazu, Taktschläge zu unterteilen, was seinem Dirigierstil etwas Hektisches, Diffuses gibt. Zuweilen sieht das dermaßen wibbelig aus, als habe es das Duracell-Häschen aufs Konzertpodium geschafft. Auf der anderen Seite ist Eschenbach für diese Siebte goldrichtig: Er gibt jedem Satz einen schier energetischen Impuls mit, statt das Werk einzig aufs Finale hin zu munitionieren. Sogar das Allegretto, den zweiten Satz, interpretiert Eschenbach mit einer Spannung, die man in Aufführungen längst nicht immer erlebt.

Geheimer Höhepunkt des Abends gleich zu Beginn

Möglicherweise der geheime Höhepunkt des Abends ist allerdings zu Beginn die "Tannhäuser"-Ouvertüre. Hier schließt sich der Bogen zwischen den beiden Giganten Wagner und Beethoven, und es wird klar, dass Eschenbach eher dem Venusberg und seinem sündig getanzten Bacchanal als der Pilgerchor-Intimität nachhängt. Allein, wie der Dirigent und die Washingtoner Musiker diese Ouvertüre aufziehen, ist fabelhaft. Die wogenden hohen Geigen entfachen die Illusion eines seidigen Schimmers; der Hörer wähnt tatsächlich einen Vorhang vor sich, der unmerklich, dann aber furios zu brennen beginnt. Von hinten tönen die Hörner rund und erlesen, und alles vereint sich zu jenem Gelage, das Richard Wagner in seiner "Tannhäuser"-Oper gleich nach dieser Ouvertüre auf die Bühne karrt.

Größter Beifall aus der bestens gelaunten Tonhalle.

(w.g.)
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