Düsseldorf Goethe las intensiv Zeitung

Düsseldorf · Ein Zitat aus Goethes "Faust" wird derzeit gern der aktuellen Weltlage entgegengestellt. Beim Spaziergang vor dem Tor freut sich ein Bürger: "Nichts bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit in der Türkei, die Völker auf einander schlagen." Der Bürger hat wohl ausgiebig seine Sonntagszeitung gelesen. Ähnlich wie der Autor des berühmten Dramas? "Goethe und die Zeitung" hieß ein Vortrag des Berliner Kulturwissenschaftlers Lothar Müller auf Schloss Jägerhof.

Müller zeigte auf, wie sehr sich beim Thema Zeitung der Ministerialbeamte Goethe vom Autor unterschied. Der Machtmensch Goethe nutzte intensiv ein Medium, das erst durch das moderne Postwesen zur relativ aktuellen Nachrichtenquelle wurde. Noch heute erinnern Titel wie "Rheinische Post" oder "Daily Telegraph" an die Bedeutung dieser Informationswege. Nach 1789 gab es über 200 Zeitungen im Land, mit 300.000 verkauften Exemplaren und zehnmal so vielen Lesern. Ähnlich wie heutige Politiker ihren täglichen Pressespiegel studieren, ließ sich Goethe die wichtigsten Periodika seiner Zeit auf den Bürotisch legen. Und er durchschaute schnell, welche Nachrichten von Meinungsmachern manipuliert worden waren.

Eben dies führte beim Dichter Goethe zu grundsätzlicher Skepsis gegenüber dem so erfolgreichen Druckmedium. In seinem Werk finden sich hierfür zahlreiche Belege. Bereits in "Die Mitschuldigen" (1769) heißt es, dass Journalisten entweder nichts wissen oder sich der Zensur unterwerfen.

Goethe warnt vor dem "Zeitfieber" und meint damit das "Zeitungsfieber". Es führe dazu, dass der Mensch zunächst seine nächste Umgebung vergesse, dann seine Familie und schließlich seine Geschäfte. Berühmt geworden ist auch Goethes Ärger über eine negative Zeitungsbesprechung seines "Götz von Berlichingen" aus dem Jahre 1773: "Schlagt ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent."

(RP)
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