Theresia Walser "Hitler darf nicht unantastbar sein"

Düsseldorf · Theresia Walser hat eine Farce geschrieben, in der lauter Nazi-Darsteller auf einen TV-Auftritt warten. Ab Sonntag läuft sie im Schauspielhaus.

Theresia Walser debütierte 1997 als Dramatikerin. "King Kongs Töchter" machte die Tochter von Martin Walser über Nacht berühmt. 1998 wählte sie "Theater heute" zur besten Nachwuchsautorin, 1999 zur besten deutschsprachigen Autorin. Am Sonntag hat in Düsseldorf ihr satirisches Stück "Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm" am Schauspielhaus Premiere.

Würden Sie Hitler spielen?

Walser Als Hitlertravestie? Die Schauspielerin Anne Tismer hat einmal einen Abend gemacht, der hieß: Hitlerine.

Im Momente spukt ja ein Hitler durch die Kinos: Oliver Masucci spielt in "Er ist wieder da" einen Hitler, der in der Gegenwart erwacht. Was halten Sie von diesem Ansatz für eine Komödie?

Walser Eine äußerst pointierte Idee, mit der sich sicher viel anfangen lässt.

In Ihrem Stück sprechen Hitler- bzw. Goebbels-Darsteller darüber, was die Rolle mit ihnen gemacht hat. Warum wollten Sie darüber schreiben?

Walser Als vor einigen Jahren mehrere Filme über Hitler herauskamen, saßen in diesen munteren Talkshows auf einmal lauter Hitlerdarsteller oder Schauspieler, die auch andere Nazischergen gespielt haben. Sie diskutierten darüber, wie sie sich fühlten und wie man Hitler darstellen soll, und wie nicht, und ob überhaupt. Das hatte durchaus groteske Züge, wie dort manchmal agiert und argumentiert wurde, als sei selbst das Hitlerbärtchen noch authentisch. Ich dachte sofort an eine Komödie. Eine Komödie über die Unmöglichkeit der Darstellbarkeit.

Eigentlich reden die Drei über die Eitelkeiten im Theaterbetrieb - ist Ihr Stück eine satirische Abrechnung?

Walser Die Figuren reden zwar übers Theater, andrerseits kennt man derartige Gesprächskämpfe ja auch aus anderen Zusammenhängen: Das Konkurrenzgegiftel, die Neidereien, die verstohlenen und offenen Allianzen, das Hin- und Herlavieren. All das findet ja nicht nur im Theaterbetrieb statt. Ein Zuschauer, der einmal in diesem Stück war, sagte mir hinterher, dass er genau diese drei Figuren aus seinem Büro kenne, nur dass es dort nicht ums Theater, sondern um Versicherungen ging.

Schauspieler, die sich selbst zu ernst nehmen, sind komische Figuren?

Walser Nicht nur Schauspieler! Allerdings kann es wunderbar sein, wenn Schauspieler uns dieses Kippen vom Ernsten ins Komische vorführen.

Es geht auch um die Frage, ob ein Hitler-Darsteller überhaupt das Ziel haben darf, seinen Zuschauern Hitler nahezubringen - wie sehen Sie das?

Walser Mit dieser Frage giftet eine Figur im Stück die andere an. Sie hält ihr vor, dass sie mit ihrer Hitlerdarstellung ja nur die Publikumsumfrage gewinnen wollte, welcher Schauspieler den Zuschauern Hitler am nächsten gebracht habe. Das ist natürlich eine absurd bösartige Unterstellung.

Ist Hitler zu spielen, immer noch ein Tabu in Deutschland?

Walser Nein, längst nicht mehr. Diese Unantastbarkeit hat er nicht verdient.

Ist der komische Hitler leichter?

Walser Das Komische nimmt dieser Figur nichts vom Schrecken, im Gegenteil, Entsetzen und Komik sind nahe Verwandte. Andersherum glaube ich, dass ein ganz und gar ernst gemeinter Hitler, einer der sich im vermeintlich Authentischen herumsuhlt, Gefahr läuft, unfreiwillig komisch zu wirken.

Bruno Ganz hat seine Rolle als Hitler der letzten Tage in "Der Untergang" lange angehaftet. Haben Sie beim Schreiben an ihn gedacht - eine Ihrer Figuren ist ja Schweizer?

Walser Ich habe zwar einen Satz von ihm zitiert. Aber ansonsten habe ich nicht an ihn gedacht. Meine Figuren entstehen erst beim Schreiben. Sie entwickeln sich sozusagen während der Arbeit mit und gegeneinander.

Haben Sie als Schauspielerin schon mal eine Rolle abgelehnt, weil sie Ihnen unangenehm war?

Walser Nein.

Kann man ohne Eitelkeit ein guter Schauspieler werden?

Walser Das halte ich für ein altes Klischee, dass Eitelkeit und Schauspielerei zusammen gehören.

(dok)
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